Hier lesen Sie den neunten und letzten Teil unserer HISTORY-Reihe „Ist das Gründungsdatum der Schlaraffia möglicherweise eine Fälschung?“. Der erste Teil startete am 12. August 2018.
[su_spacer size="35"][su_heading size="18"]Wie wahr ist die Wahrheit und wie dürfen wir sie werten?[/su_heading]
Der achte Teil meiner Recherche mit dem Titel „Das Geheimnis der Schlaraffia“ vom 23. Dezember 2018, ist eine Geschichte über die Entstehung des Herrenbundes, die gänzlich anders verlief und aus dem Rahmen fällt. Distanzierte sich die Schlaraffia doch stets öffentlich von der Freimaurerei und vom Dasein eines Geheimbundes, so wurde sie durch den Zeitungsbericht als solche entlarvt. Waren die öffentlichen Bekundungen „Wir sind kein Geheimbund“ oder „Wir sind keine Freimaurer“ möglicherweise vorgeschoben?
Genau diese Fragen stellte ich mir, so dass ich den Zeitungsinhalt auf ihren Wahrheitsgehalt hin untersuchte. Ich nahm zunächst Kontakt mit dem Schlaraffenreich auf, das im Zeitungsartikel benannt wurde, nämlich der Vindobona104 in Wien, Österreich. Es ist ein sehr altes Reich, das die Gründungsnummer 24 trägt. Es gibt in Wien noch ein zweites, jüngeres Reich Auf der Mauer mit Reichsnummer 296105.
Ich wollte wissen, ob der benannte Verfasser, nämlich Professor Heinrich Glücksmann wirklich Schlaraffe in der Vindobona war. Als Antwort bekam ich u. a. folgende Zeile zurück:
[…] Eure Anfrage an […] wurde von diesem an den Archivar weitergeleitet und so darf ich Euch Folgendes berichten in der Gewissheit, daß Ihr so wie ich auch Wikipedia abgefragt habt!
Professor Heinrich Glücksmann war Schlaraffe in Wien. Im April 1891 dort als Knappe aufgenommen, im Oktober 1891 zum Junker ernannt und bereits im April 1892 zum Ritter geschlagen. Also innerhalb eines Jahres hat er alle drei Stufen erklommen.
Exkurs:
Schlaraffen in heutiger Zeit werden gewöhnlich viel später zum Ritter geschlagen. Denke ich dabei an meine eigenen Ritterschläge, so verbrachte ich gesamt 12 Jahre an der Junkertafel. Das Fortkommen innerhalb eines Reiches findet sehr unterschiedlich statt. Je größer ein Reich an Mitgliedern ist, desto mehr Ritter üben Einfluss auf Entscheidungen aus, wie z. B. der „Laufbahn“ eines Sassen.
Professor Glücksmann gab sich den Namen Ritter Abdul AHA der Pegasüße und wurde im Jahr 1905 zum Oberschlaraffen der Kunst gewählt. 1938, so wird berichtet, musste er emigrieren und seine Spur verlor sich. Er verstarb 1947 in Buenos Aires, Argentinien, wurde mir mitgeteilt. Wie er dort hingelangte, ob direkt oder auf Umwege, ist nicht bekannt. Es gab aber den Hinweis, dass er bei den Freimaurern untergekommen sein könnte. Auch wurde ich darauf hingewiesen, dass Professor Glücksmann mit seinen damaligen 71 Jahren, nicht der älteste Schlaraffe in Wien war, wie im Zeitungsartikel behauptet wird.
Hierzu möchte ich anmerken, dass mit dem Hinweis „das älteste Mitglied der Wiener „Schlaraffia““ nicht das profane Alter gemeint sein dürfte, sondern das Alter der Mitgliedschaft in diesem Reich. Der Zeitungsartikel106 ist von 1935. Zu diesem Zeitpunkt war er 44 Jahre der Vereinigung angehörig.
Bei meinen Recherchen über Ritter Abdul AHA der Pegasüße fand ich in der Chronik des Verbandes Allschlaraffia nichts. Ist das nicht erstaunlich? Da ist ein Schlaraffe über vier Jahrzehnte der Schlaraffia wohlgesonnen und wenig über ihn zu lesen. Zufall? Absicht?
Grundsätzlich sehe ich mit dem Zeitungsartikel „Das Geheimnis der Schlaraffia“ einen nicht unwichtigen Hinweis auf eine Verbindung zwischen Freimaurern und Schlaraffen. Ich sage bewusst nicht „Schlaraffia“ und „Freimaurerei“, weil bei mir der Eindruck entstand, dass die Mitglieder selbst unterschiedlichen Gruppierungen angehörten, die nicht unmittelbar von den Vereinigungen selbst forciert sein mussten.
Hatte es sich seinerzeit die katholische Kirche zu leicht gemacht, wenn sie die Schlaraffia als getarnte Freimaurerzirkel verhöhnte? Professor Glücksmann selbst machte daraus keinen Hehl und erzählte, dass es in Prag zur Mitte des 19. Jahrhunderts zahlreiche getarnte Freimaurerzirkel gab. Schlaraffia vielleicht doch ein Geheimbund und für bestimmte Teile innerhalb der Vereinigung nicht zugänglich und nicht sichtbar? Ich recherchierte weiter.
Beim Lesen war mir die Wortwahl von Professor Glücksmann zu Beginn seiner Geschichte aufgefallen, die er mit „Interessant ist schon die Gründungsgeschichte“ eröffnete und mich stark an „Sagenhaft schon ist der Anfang dieser Schöpfung geworden. Keine Chronik vermöchte ganz zuverlässig einen einzelnen als ihren einzigen Urheber zu bezeichnen“ von Schmidt-Weißenfels (Ritter Plato der griechische Bummler) erinnerte. Ist nun das „Geheimnis der Schlaraffia“ die Information eines „getarnten Freimaurerzirkels“ oder dass Schlaraffen auch einfach „nur“ der Freimaurerei angehören konnten?
Zunächst fand ich eindeutige Hinweise, dass Heinrich Glücksmann als Ritter Abdul Aha der Pegasüße Freimaurer107 108 war. Er wird im Internet unter freimaurer-wiki.de als Professor, Dramaturg des Deutschen Volkstheaters in Wien, Schriftsteller und Mitglied der Wiener Loge „Eintracht“ geführt. Dazu war er Leiter der freimaurischen Zeitschrift „Der Zirkel“. Interessant hierzu auch die Information über die Wiener Freimaurerzeitung109. Und wie so oft, wenn man das Eine gefunden hat, ergeben sich stets neue Fundstellen, so z. B. auch der Hinweis eines „Abzeichen zum Sippungsornat der Freimaurerloge „Schlaraffia Herbipolis“ (Würzburg) Ordensstern110 und Zwei Eulen111“.
Weiter ist interessant, dass die Schlaraffia Herbipolis mit dem Schlagwort „Freimaurer“ durch das Deutsche Historische Museum in Berlin geführt wird und zahlreiche schlaraffische Abzeichen ihr Eigen nennt. Auch das Foto112 im Stadtarchiv Karlsruhe zeigt einen „gemeinsamen Herbstball von vier Karlsruher Logen sowie der Herrengesellschaft Schlaraffia“ aus dem Jahre 1972.
Die Verbindungen zwischen der Schlaraffia und der Freimaurerei scheinen objektiv betrachtet viel tiefer und intensiver gewesen zu sein, als sie sich nach außen eingestehen mochte. Ohne dass ich weitere Recherchen unternahm, war ein gemeinsames Stelldichein mindestens bis 1972 gegeben, zumindest latent. Vielleicht sind die Verbindungen sogar bis heute noch vorhanden.
Lassen Sie mich nun wieder auf mögliche Falschinformationen im Artikel „Das Geheimnis der Schlaraffia“ zurückkommen.
Erste These: „In Prag bestanden um die Mitte des vorigen Jahrhunderts (gemeint ist das 19. Jahrhundert) zahlreiche getarnte Freimaurerzirkel“.
Diese These kann bejaht werden. Dazu bedarf es der einfachen Prüfung durch das „Freimaurer-Wiki - Prag 1768 bis 1932“113.
Zweite These: „Der damalige Kapellmeister des Deutschen Landestheaters, Wilhelm Jahn114, der spätere Wiener Opernkapellmeister, hatte die Sehnsucht, Freimaurer zu werden, wurde aber von der Dresdner Loge als zu „lebenslustig“ abgelehnt“.
Für diese These habe ich keine Fundstellen gefunden. Wilhelm Jahn war Mitbegründer der Schlaraffia in Prag und dort der „Ritter Mager der doppelte Speisezettel“. Hinweise auf einen Freimaurerwunsch fanden sich nicht.
Dritte These: „Da versuchten seine Freunde ihn durch die Gründung der „Schlaraffia“ zu trösten. Am 10. Oktober 1859, am hundertsten Geburtstage Schillers, konstituierte sich die „Schlaraffia“ in Prag. Ihr Anfang war, wenn nicht Parodie, so wenigstens eine Übersetzung der Freimaurerei ins Heitere“.
Wilhelm Jahn sollte getröstet werden? Ist es nicht eher so, dass Jahn der Künstler gewesen sein könnte, den Franz Thomé in der Arcadia seine Aufnahme bereiten wollte, diese aber ihn ablehnte, so wie die Entstehungsgeschichte der Schlaraffia uns seit Jahrzehnten überliefert wird? Mit damals 24 Jahren war Jahn sehr jung und mit Sicherheit „lebenslustig“ und für einen elitären Verein eher unpassend anzusehen. Als „Trost“ könnte tatsächlich eine „Gegenbewegung“ der späteren Schlaraffia gemeint sein, wobei der heute viel genannte „Proletarier-Club“ nicht existiert haben dürfte. Meine Recherchen in den Teilen 1 bis 8 meiner Veröffentlichungen belegen dies.
Weiter wird geschrieben, dass die Konstituierung der Schlaraffia am 10.10.1859 stattgefunden habe, was dem hundertsten Geburtstage Schillers gleichgesetzt werden könne. Meine Prüfung ergab, dass der 100. Geburtstag Schillers115 am 10.11.1859 war, also einen Monat später.
Was hat es also mit der Geschichte des Wiener Schlaraffen „Ritter Abdul Aha der Pegasüße“ alias Professor Heinrich Glücksmann, der Freimaurer war, auf sich?
Sein „Geheimnis der Schlaraffia“ passt so gar nicht in all die anderen Überlieferungen. Dazu wird das „Geheimnis“ in einem Jahr (1935) gelüftet, in dem der Nationalsozialismus des Hitlerregimes auf dem Vormarsch war, die Schlaraffia verboten wurde (aufgrund getarnte Freimaurerzirkel) und auch die katholische Kirche den Katholiken empfahl, der Schlaraffia nicht mehr als Mitglieder anzugehören.
Müsste nicht zu jener Zeit die Publizierung dieses Zeitungsartikels einem Selbstmord gleichkommen, wenn ein Schlaraffenmitglied über selbige Vereinigung von den wirklichen Hintergründen sprach? Oder war sie ein willkommener Anlass des Hitlerregimes oder der katholischen Kirche, finalen Druck auf die Schlaraffia auszuüben? Der Archivar der Vindobona schrieb, dass Ritter Abdul im profanen Jahr 1938 emigrieren musste. Als Freimaurer und Schlaraffe hatte er im Nazi-Deutschland keine Zukunft mehr.
Es ist durchaus denkbar, dass für Professor Glücksmann die Schlaraffia eine „heitere Freimaurerei“ darstellte. Auch erscheint es mir möglich, dass der 100. Geburtstag Schillers das wirkliche Gründungsdatum der Schlaraffia war, also der 10. November 1859. Ich erinnere an meine Fundstelle in der Wiener Theaterzeitung „Der Zwischen-Akt“ vom 30. Dezember 1859. Dort wird zum Ende des Jahres 1859 öffentlich bekannt gegeben, dass die Stadt Prag künftig zwei Künstlergesellschaften besitzen wird, nämlich die Arcadia und die Schlaraffia.
Diese These wird dadurch gestützt, dass Schiller in der Allschlaraffia der Ehrenschlaraffe Funke ist und schon zu Lebzeiten einer der bedeutendsten deutschsprachigen Dramatiker und Lyriker war. Gerade die Schlaraffia als Vereinigung der Freude und Kunst würde es sich doch nicht nehmen lassen, einen besonderen Tag für ihre Gründung auszurufen. Was käme da gelegener als der 100. Geburtstag Friedrich Schillers? Abwegig? Ich denke nicht. Die Allschlaraffia schreibt in ihrer eigenen Chronik116:
„Es ist völlig ausgeschlossen, daß die am 10. Oktober 1859 auf den Appell von Eilers hin zur Gründung des neuen Bundes Zusammengekommenen so mir nichts dir nichts, nur auf den Vorschlag des Redakteurs Tobisch hin, den doch immerhin höchst merkwürdigen und auffallenden Namen „Schlaraffia“ ohne Widerspruch bzw. Erörterungen angenommen hätten.“
Und weiter heißt es:
„Kein Wort von „Schlaraffia“! Und das wäre, wenn Drasal recht hätte, doch das gewesen, was man als das Herausragendste und Wichtigste im Stiftungs- und Bundeslied unbedingt verherrlicht haben würde! Erst der dritte Vers, der ein Jahr später von Eilers dazugedichtet wurde, spricht von „lieb Schlaraffenland“.
Demnach ist davon auszugehen, dass die Allschlaraffia bis heute nicht weiß, dass der Name „Schlaraffia“ sich schon im Jahr 1859 öffentlich festigte. Auch schreibt die schlaraffische Chronik, dass die Worte in der zweiten Gründungsstrophe „Niemand soll verletzt sich fühlen“117 (bezogen auf die Namensgebung des Vereins) auf nicht so glatt gegangene Beratungen zurückzuführen sei. Hier ist meines Erachtens genauso denkbar, dass diese Worte auf das Verhältnis zur Arcadia Anspielung fanden. Denn dort wurden „einfache“ Künstler in ihrer Ehre durch die herablassende Art der Arcadier verletzt.
Auch erwähnte ich schon, dass die Allschlaraffia über den Verfasser Ritter Drasal schrieb, dass er sich „einen bitteren Schnitzer“ leistete, in dem er die Schlaraffen „mit den ihnen zukommenden Ritternamen“ benannte. Dazu behauptete sie, dass damals „noch kein Fünkchen von einem Rittertum“ herrschen konnte. Meine Fundstelle in der Zeitung „Die Presse“ vom 23. Februar 1860118 belegt aber, dass durchaus sehr früh ritterliche Gebräuche Einzug in die Schlaraffia gehalten haben konnten, was die Aufzeichnungen des Ritters Drasal stütze.
Mein Fazit aus monatelangen Recherchen
Das Datum 10. Oktober 1859 wird in allen fünf von mir gefundenen Gründungsversionen über die Entstehung der Schlaraffia benannt. Ob es sich dabei tatsächlich um das Datum einer konstituierenden Sitzung handelte, ist historisch nicht belegt. Vier Geschichtenverfasser ordnen das Datum unterschiedlichen Ereignissen zu, lediglich Professor Glücksmann erwähnt die Konstituierung für diesen Tag.
Der viel propagierte Proletarier-Club, der der Schlaraffia vorausgegangen sein soll, lässt sich historisch ebenfalls nicht belegen, weil er schlichtweg nicht auftauchte. Weiter sind die Ideale der Kunst, des Humors und der Freundschaft keine Erfindung der Schlaraffen und sie haben auch nicht das „Ritterspielen“ zur Ausübung der Persiflage erfunden. Denn vor ihr waren bereits 1855 „Die Ritter von der grünen Insel“119 tätig, die sich durch das Treiben anderer Ritterbünde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts inspirieren ließen. Ihre Ideale benannten sie mit Freundschaft, Kunst und Menschlichkeit.
Die Schlaraffia hatte nachweislich Mitglieder, die auch der Freimaurerei angehörten. Inwieweit die Freimaurerei auch Einfluss auf die Entwicklung der Schlaraffia nahm und vielleicht noch immer nimmt, habe ich bisher nicht untersucht. Das aber ein Einfluss anzunehmen ist, halte ich für mehr als wahrscheinlich.
Weiter lernte ich durch meine Recherchen, dass die Schlaraffia seit Jahrzehnten einem Mitgliederschwund und einer extremen Überalterung unterliegt. Bereits in meinem ersten Teil schrieb ich darüber. Gründe mag es viele geben. Ich benannte u. a. den Konflikt mit dem Wandel der Zeit durch die Informationstechnologien, sehe aber auch bei manchem die Problematik des [su_lightbox src="https://de.wikipedia.org/wiki/Starrsinn"]Altersstarrsinn[/su_lightbox] und das Leben in einer [su_lightbox src="https://de.wikipedia.org/wiki/Parallelwelt"]Parallelwelt[/su_lightbox]. Dazu gesellen sich Generationenkonflikte, weil durch fehlenden Nachwuchs die jüngeren Mitglieder kaum Gehör finden. Nicht alle Sassen lassen sich das gefallen und bleiben der Vereinigung fern oder treten aus.
Für mich persönlich habe ich sehr wertvolle Schlaraffen kennengerlernt, die interessante, rührende oder lustige Geschichten zu erzählen wussten und nach wie vor wissen. Sie versprühen dabei eine Aura, die im Alltag kaum zu finden ist. Diese Menschen glänzten und glänzen durch ihren Geist, der mich in jungen Jahren inspirierte und genauso heute begeistert. Für mein berufliches Dasein habe ich durch Schlaraffen persönliche Reife durch Stärkung meiner Persönlichkeit erfahren.
Schlaraffia könnte wieder zu historischem Glanz wachsen.
An dieser Stelle bedanke ich mich sehr herzlich für Ihre Aufmerksamkeit und die Zeit, die Sie mit mir gereist sind. Ich wünsche mir, dass meine Entdeckungen Ihren Geist bereicherten.
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104 http://www.schlaraffiavindobona.at/WP/
105 http://www.aufdermauer.at/welcome.html
106 https://www.pragabuch.org/history/teil-8-das-geheimnis-der-schlaraffia/
107 http://freimaurer-wiki.de/index.php/Heinrich_Gl%C3%BCcksmann
108 http://www.biographien.ac.at/oebl/oebl_G/Gluecksmann_Heinrich_1864_1947.xml
109 http://freimaurer-wiki.de/index.php/Wiener_Freimaurerzeitung#Freimaurer-Zeitschriften
110 https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/5SAGK3ASCG7ZEI5LE3MNQ6XHQKWNW7PY?query=schlaraffia&thumbnail-filter=on&isThumbnailFiltered=true&rows=20&offset=0&viewType=list&firstHit=XCUEIMQFVNRLYHQ4J57G2NRDDFUKBVUT&lastHit=lasthit&hitNumber=13
111 https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/HUNR2UA5DNJZRSD26IENXISTQF3TDNKZ?query=schlaraffia&thumbnail-filter=on&isThumbnailFiltered=true&rows=20&offset=0&viewType=list&firstHit=XCUEIMQFVNRLYHQ4J57G2NRDDFUKBVUT&lastHit=lasthit&hitNumber=14
112 https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/Y7EPAHBPOOGYK5AXQI5HR44XZCGK2UH4?query=herbstball+1972&rows=20&viewType=list&thumbnail-filter=on&isThumbnailFiltered=true&offset=0&firstHit=Y7EPAHBPOOGYK5AXQI5HR44XZCGK2UH4&lastHit=lasthit&hitNumber=1
113 http://freimaurer-wiki.de/index.php/Prag
114 https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Jahn_(Musiker)
115 https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Schiller
116 Chronik des Verbandes Allschlaraffia zur Hundertjahrfeyer in Norimberga a. U. 100 (1959), digitalisierte PDF-Ausgabe Seite 59 (Seite 44 der Druckausgabe)
117 Chronik des Verbandes Allschlaraffia zur Hundertjahrfeyer in Norimberga a. U. 100 (1959), digitalisierte PDF-Ausgabe Seite 60 (Seite 45 der Druckausgabe)
118 „Die Presse“ vom Donnerstag, den 23. Februar 1860, Nr. 54, 13. Jahrgang, Seite 2, Spalte rechts, Artikel „Aus Prag“
119 https://www.pragabuch.org/history/die-ritter-von-der-gruenen-insel/
3 Jahre Pragabuch und immer wieder neue Ideen :-).
Im Januar 2016 ging das Pragabuch online und präsentierte sich von Beginn an als ein Netzwerk für historisch gewachsene Vereine. Das soziale Ritter-Netzwerk ist in seiner Form etwas Besonderes. Im Mittelpunkt steht das Mitglied, der Sasse - er ist die zentrale Figur.
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[su_spacer size="35"][su_heading size="18"]Das Geheimnis der Schlaraffia[/su_heading]
In diesem Teil werde ich das „Geheimnis der Schlaraffia“ lüften. Es ist die fünfte Gründungsversion, die ich in meinen Recherchen fand. Die nachfolgende Geschichte ist aus meiner Sicht die spannendste. Dazu sollte sie zwischen den Zeilen gelesen werden. Sie sagt viel über eine Zeit aus, die gerne ausgeblendet wird und doch existierte. Es ist die Zeit, die Deutschland prägte und in vielen Köpfen, bis heute, weiter existiert.
Es ist unbestritten, dass die Schlaraffen immer wieder als „Geheimbund“ bezeichnet und mit „Freimaurern“ in Beziehung gesetzt werden. Das Internet führt dazu viele Fundstellen auf, die ein jeder googeln kann. Ich stieß stets auf solche Funde und habe sie benannt. Doch jetzt gebe ich unkommentiert einen Zeitungsartikel vom 16. September 193586 wieder:
Vor wenigen Tagen brachte das „Prager Tagblatt“87 die Meldung, dass die päpstliche Verwaltungsbehörde im Vatikan in einer Vollsitzung am 22. Mai d. J. den Beschluss gefasst habe, den Katholiken zu empfehlen, der im Jahre 1859 in Prag gegründeten „Schlaraffia“ nicht mehr als Mitglieder anzugehören. Dieser Beschluß soll darauf zurückzuführen sein, daß führende Mitglieder der „Schlaraffia“ fast in der ganzen Welt auch Führer in den Freimaurerlogen seien. Damit ist die Geschichte der „Schlaraffia“ wieder in den Mittelpunkt des allgemeinen Interesses gerückt. Seit dem Hitlerregime in Deutschland gab es auch in den Kreisen der deutschen „Schlaraffia“ heftige Kämpfe. Die Einführung des Arierparagraphen in Deutschland und der Versuch, ihn auch in anderen Ländern einzuführen, hat sogar zu einer Konferenz der Schlaraffiaführer in Karlsbad geführt. Bei dieser Konferenz wurde die Einführung des Arierparagraphen abgelehnt. Professor Heinrich Glücksmann88 89, das älteste Mitglied der Wiener „Schlaraffia“, erklärt unserem Mitarbeiter die bis nun geheimgehaltene Geschichte der „Schlaraffia“, die wir ohne jede Stellungnahme weitergeben.
Erklärung des ältesten Wiener Schlaraffen
„Interessant ist“, so sagt Professor Glücksmann, „schon die Gründungsgeschichte. In Prag bestanden um die Mitte des vorigen Jahrhunderts zahlreiche getarnte Freimaurerzirkel. Der damalige Kapellmeister des Deutschen Landestheaters, Wilhelm Jahn90, der spätere Wiener Opernkapellmeister, hatte die Sehnsucht, Freimaurer zu werden, wurde aber von der Dresdner Loge als zu „lebenslustig“ abgelehnt. Da versuchten seine Freunde ihn durch die Gründung der „Schlaraffia“ zu trösten. Am 10. Oktober 1859, am hundersten Geburtstage Schillers, konstituierte sich die „Schlaraffia“ in Prag. Ihr Anfang war, wenn nicht Parodie, so wenigstens eine Übersetzung der Freimaurerei ins heitere.
Eine der ersten Oberschlaraffen von Prag, der spätere Burgschauspieler Hallenstein91, gründete am 2. Dezember 1880 das Wiener Schlaraffenreich Vindobona92, dem neben Mitterwurzer93, Tyrolt94 und dem noch heute lebenden Rudolf Leyrer95 auch Alexander Girardi96 angehörte. Zahlreiche Persönlichkeiten der Kunst, der Politik besuchten als „Pilger“ die Veranstaltungen der Vindobona.
Neben Lehar97, dem Ritter „Tonreich der Notendrucker“, neben Philipp Zeska98, der bei seinem zweiten Wiedereintritt in die Schlaraffia den Namen „Pingk, Pingk, da bin ich wieder“, neben Heinirch Glücksmann, „Ritter Abdul Aha, der Pegasüße“, waren der ehemalige Polizeipräsident Brandl99, genannt „Ritter Zynikus, der hermadaistische Hundling“, der langjährige Concordialeiter Edgar von Spiegel100 und Max Ritter von Höhn101, der Leiter des Kriegsarchivs, zu sehen. Auch Dr. Heinrich Dobrozemsky, damals königlich-ungarischer Feldsuperior, jetzt katholischer Bischof, gehörte seinerzeit der Vindobona an.
Auch heute weißt die „Regierung“ des Schlaraffenreyches Vindobona - der allzu großen Anhängerzahl wegen, wurde die rein äußerlich in eine Mittwoch- und Donnerstaggruppe, kurz Mi- und Doreich genannt, getrennt - klangvolle Namen auf. Max Ritter von Höhn, Ministerialrat am Obersten Rechnungshof Ludwig Heiny, die rechte Hand des ehemaligen Ministerpräsidenten Beck, Präsident des Marineverbandes Linienschiffskapitän i. R. Bruno Dietrich.
Mit dem Hitler-Regime in Deutschland kam für die deutschen Schlaraffen eine schwere Zeit. Man zwang sie den Arierparagraphen in die Satzung aufzunehmen. Erschütternde Szenen spielten sich ab. Die Breslauer „Regierung“ der Schlaraffia beispielsweise bestand aus drei Juden. Die deutschen Juden, die der Schlaraffia angehörten, erklärten, freiwillig austreten zu wollen, um dem Verein keine Schwierigkeiten zu bereiten.
Auch in Böhmen und in den sudetendeutschen Städten, ja, selbst in der Steiermark und in Niederösterreich machte sich der Nazieinfluß geltend.
Sogar in Wien machte eine kleine Gruppe der Schlaraffia den Vorschlag, den Arierparagraphen einzuführen. Nur sollte das, konziliant wie die Austronazi damals noch waren, in der Form einer Aufnahmesperre für Juden geschehen. Der Vorstoß wurde abgeschlagen, die Nazi aus der Schlaraffia ausgeschlossen.
Diese Frage der Einführung des Arierparagraphen wurde dann noch in einer gemeinsamen Konferenz der Schlaraffenführer in Karlsbad erörtert. Als Wiener Vertreter war der seither verstorbene Oberschlaraffe Oberstleutnant Regierungsrat Friedrich Kollarz102 bei der konferenz anwesend. Die Tagung endete mit dem Beschluß: „Der Arierparagraph widerspricht den Schlaraffenidealen.“
Die politische Umstellung der sudetendeutschen Schlaraffiaverbände hat scheinbar zu dem Erlaß des Vatikans geführt, der uns in Wien offiziell noch nicht zur Kenntnis gebracht wurde.
Dieser Zeitungsbericht der Wiener Tageszeitung „Der Morgen“103 aus dem Jahre 1935, den ich im Original unterhalb verlikt habe, hat es in sich. Wie wahrhaft sind die Zeilen anzusehen? Unterscheiden sie sich doch ganz von meinen bisherigen Funden. Sind Fehler enthalten, die leicht zu widerlegen sind?
Lesen Sie in der nächsten Beitragsausgabe
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86 „Der Morgen“ vom 16. September 1935, Nr. 37, Seite 2, mittlere Spalte „Das Geheimnis der Schlaraffia“
87 „Linzer Volksblatt“ vom 14. September 1935, Nr. 213, Seite 8, linke Spalte „Kirche gegen Schlaraffia“
88 https://en.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Gl%C3%BCcksmann
89 https://freimaurer-wiki.de/index.php/Heinrich_Gl%C3%BCcksmann
90 https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Jahn_(Musiker)
91 https://de.wikipedia.org/wiki/Konrad_Adolf_Hallenstein
92 Stammrolle Allschlaraffia a.U. 156/157, Seite 92 der digitalisierten Version, Seite 68 der Druckausgabe, 24. Vindobona (Wien), Weiß-rot 2.12.21, Praga
93 https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Mitterwurzer
94 https://de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_Tyrolt
95 https://de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_Leyrer
96 https://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_Girardi
97 https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Leh%C3%A1r
98 Tatsächlich war es Carl von Zeska und nicht „Philipp Zeska“, https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_von_Zeska
99 https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Brandl_(Polizeipr%C3%A4sident)
100 Chronik des Verbandes Allschlaraffia zur Hundertjahrfeyer in Norimberga a. U. 100 (1959), digitalisierte PDF-Ausgabe Seite 322 (Seite 307 der Druckausgabe)
101 https://de.wikipedia.org/wiki/Maximilian_von_Hoen
102 https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Kollarz
103 http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=dmo&datum=19350916&seite=2&zoom=33
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[su_spacer size="35"][su_heading size="18"]Bleibt die Entstehung Schlaraffias ein Geheimnis?[/su_heading]
In diesem siebten Teil werde ich weitere Mosaiksteine zusammentragen, um das Bild über das Gründungsdatum der Schlaraffia zu festigen. Ich bin wirklich froh, dass es aus dem 19. Jahrhundert viele öffentlich zugängliche Schriftstücke gibt. Doch verließ ich mich nicht ausschließlich auf sie, sondern verglich sie mit den Unterlagen, die seitens der Schlaraffia existieren. So z. B. mit dem „Vorwort zur Chronologia“72 des Praga-Archivs, welches mir freundlicher Weise durch die Asciburgia übermittelt wurde, in dem es unmissverständlich heißt (Auszug):
Bei den geretteten Teilen des „Praga-Archivs“ zu Bern hat sich überraschenderweise auch eine „Chronologische Übersicht der wichtigsten Ereignisse in der Schlaraffia des Zeitraumes von 1859 bis a. U. 49 (1908) gefunden. Es ist uns damit so etwas wie ein historisches Kalendarium des ersten Halbjahrhunderts „Schlaraffia“ und „Allschlaraffia“ erhalten. Allerdings fehlt auch hierin die allererste Zeit; der „Proletarier-Club“ ist gar nicht erwähnt; das Jahr 1859 enthält den einzigen, noch dazu unrichtigen Eintrag: „Oktober 10.: Schlaraffia wird gestiftet in der Stammburg Hopfenstock“ (richtig: „Stammokal bei Freund“), und für 1860 finden sich nur drei Einträge, und auch diese sind nachträglich erfolgt. Der Schreiber scheint keinerlei Wissen oder Erinnerungen um die allererste Zeit gehabt zu haben.
Der Schreiber war Ritter Drasal, den ich ja schon mehrfach erwähnte, der sein Werk 39 Jahre nach Schlaraffias Gründung verfasste. Doch ich erhielt noch einen weiteren Hinweis zum Gründungsdatum der Schlaraffia, der sich aus einem Artikel aus „125 Jahrungen Schlaraffia Asciburgia“ ergibt. In dieser Festzeitschrift wurde der Beitrag „Zum fünfundzwanzigjährigen Bestehen der „Schlaraffia“ aus der „Gartenlaube“, Jahrgang 1884“““ abgedruckt.
Diesen Artikel fand ich tatsächlich im Original73 wieder, welcher 1884 von Max Door (Ritter Berent, den Freißlichen74) in dem weltbekannten Familienblatt publiziert wurde. Seine Geschichte ist bisher die einzige, die selbstsicher das schlaraffische Gründungsdatum in einer dynamischen und jugendlichen Weise benennt, wenn man seine Wortwahl liest:
An einem Stammtische in der primitiv ausgestatteten Gaststube des Brauhauses „Zum Hopfenstock“ in Prag ging es am 10. October des Jahres 1859, also vor rund fünfundzwanzig Jahren, außergewöhnlich laut zu. Die Tafelrunde, zum Theil glattrasirte Charakterköpfe, zum Theil wildbärtige Karyatidenhäupter75 mit wallendem Lockenhaare aufweisend, hörte einen mit lebhaften Gesticulationen erstatteten Bericht zweier Genossen in größter Aufregung an. Eine geschlossene Gesellschaft in Prag hatte einige zur Aufnahme gemeldete Schauspieler der damals noch vereinigten deutschen und böhmischen Theater in der Ballotage durchfallen lassen. Tiefe Erregung gab sich in dem Kreise der zumeist aus Bühnenmitgliedern, Schriftstellern und Musikern bestehenden Zechgenossen kund, und man beschloß als Gegenzug die Gründung einer eigenen Vereinigung, die alles philisterhafte76 Element ausschließen solle. Dem Beschlusse folgte sofort die Ausführung, und der Stammtisch that sich als Verein „Prager Schlaraffia“ auf.
Schaut man sich an, wer Max Door77 war, dann wird einem schnell klar, dass mit nur 34 Lebensjahren, er, für heutige Verhältnisse, einer noch immer jungen Generation angehörte, als er seine Version der schlaraffischen Gründung verfasste. Laut „Chronik des Verbandes Allschlaraffia“ war er Oberregisseur am Lobtheater und laut Wikipedia deutscher Theaterschauspieler und betrat erstmals die Bühne am Landestheater Prag 1867, also mit damals 17 Jahren.
Exkurs
Schlaraffia war seinerzeit von sehr sehr jungen Mitgliedern geprägt, was im Kontrast zur heutigen Schlaraffia steht. Gerne wird dann entgegengehalten, dass die Lebenserwartung damaliger Zeit erheblich niedriger war als heute. Dies kann als bedingt richtig angesehen werden, weil man zwischen der sehr armen und der reichen gebildeten Bevölkerung unterscheiden muss. Statistisch betrug die Lebenerwartung der Männer im 19. Jahrhundert78 35,6 Jahre, zum Ende bereits 40,6 Jahre79. Darin eingeschlossen ist die sehr hohe Sterblichkeitsrate von Kindern kurz nach der Geburt80. Des Weiteren sind die statistischen Aufzeichnungen damaliger Zeit nicht mit der Genauigkeit heute zu vergleichen und vielfach fehlerhaft. Als Beleg dient dafür, die Untersuchung „Unsere Vorfahren wurden älter als bisher angenommen“81 von Sozialhistoriker Dr. Kai Lehmann. Als gutes Indiz für das stattliche Alter der Schlaraffen dürften die eigenen Aufzeichnungen der Reyche dienen.
Kommen wir zurück auf Max Door, der eine vierte Version zur Gründung Schlaraffias in Kurzform präsentierte. Vergleicht man seinen Text mit der Erzählung von Schmidt-Weißenfels „Die Schlaraffengesellschaft“, so passt Door wunderbar in das von ihm gezeichnete Bild, dass Thomés Künstler jung, talentiert und aufstrebend waren. Dazu ihnen das lieb gebliebene Studentum sich mit künstlerischer Genialität verband, das Kneipen ihnen helle Lust war und selbige nach führender Hand suchten. Auffallend an der Version von Door (Ritter Berent) ist ebenfalls der fehlende Proletarier-Club. Bereits in meinem zweiten Teil zur Gründung der Schlaraffia habe ich auf die geringe Wahrscheinlichkeit der Existenz des Proletarier-Clubs82 hingewiesen.
Viel ist über Ritter Berent nicht zu lesen, weder in der schlaraffischen Chronik, noch in öffentlichen Zeitungen damaliger Zeit. Er soll an der Gründung der Schlaraffia Wratislavia in Breslau83 mitgewirkt haben. Und weil Informationen über ihn rar sind, wunderte es mich, dass man ihm aus dem Reyche der Asciburgia die Bedeutung des Datums der schlaraffischen Gründung zubilligte. Bei intensiver Recherche hätte einem auffallen können, dass ein so junger Schauspieler eher zu Übertreibungen neigte. Ein Beleg dafür findet sich in der Ausgabe des „Prager Abendblatts“ vom 17. August 1869. Darin heißt es84:
Seine Schilderungen über die Theaterzustände in Lemberg sind ziemlich grau. Ein gedrucktes Zirkular, das die Bühnenmitglieder von Lemberg aus in die Welt versenden sagt, der Direktor mache die glänzendsten (?) Geschäfte, aber er zahle die Gagen nicht, das Personal sei obdachlos; einer kampire Nachts auf der Promenade, ein anderer erzwinge sich Nachtlager im Theaterbureau, andere betteln, andere hungern!! Bekanntlich ist es den Provinzschauspielern eigen, recht grell zu malen; man braucht sich also die Sache nicht gar so schlimm vorzustellen.
Max Door war damals 18 Jahre jung und 34, als er über die Gründung Schlaraffias schrieb. Wollte er womöglich mit seiner Version in die schlaraffischen Annalen eingehen und sein Schauspielerdasein aufwerten? Indizien aus dem Jahr 187885 sprechen dafür, weil Kritiker unter anderem schrieben:
Die zwei wohlbeleibten Aspiranten Hr. Door und Hr. Henne, ebensowohl auch der schmächtigere Hr. Fuegelt gehören zu den Abgelehnten, bei denen allerdings ihre Vorzüge anerkannt wurden, aber hinsichtlich der Anforderungen, die sich mit Recht hier stellen lassen, schließlich doch nur ein „Mene mene tekel upharsin“ als endgiltiger Ausspruch herauskam.
Andererseits ist Max Door zuzugestehen, dass er im Jahr 1883 große und beachtliche Erfolge am Leipziger Theater einspielte. Hier schließt sich auch der Kreis zur Zugehörigkeit der Schlaraffia Lipsia.
Warum bleiben Zweifel an der Version zur schlaraffischen Gründung von Max Door?
Max Door war ein Künstler, ein Schauspieler, wie viele andere auch, die sich in der Schlaraffia fanden. Doch über ihn wurde sehr wenig geschrieben. Die allschlaraffische Chronik erwähnte ihn zwar, doch war er nicht als ein „bedeutender“ Schlaraffe geführt, der sich um sie „besonders“ verdient machte. Auch öffentliche Berichterstattungen sind spärlich, was seine schauspielerischen Erfolge angehen. Als Geschichtenschreiber oder Erzähler ist über ihn, bis auf seinen Beitrag „Zum fünfundzwanzigjährigen Bestehen der „Schlaraffia““, wenig zu finden. Demnach gehe ich eher davon aus, dass Door lediglich das weitererzählte, was ihm als junger Schlaraffe irgendwie überliefert wurde, denn Belege für seine Version finden sich nicht.
So langsam kommen wir zum Ende meiner Recherchen, die aber noch einmal einen überraschenden Höhepunkt finden. Doch dazu mehr in meinem achten Teil.
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„Das Geheimnis der Schlaraffia“
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72 „CHRONOLOGIA“ nach dem Original im Praga-Archiv, Buchseite 139
73 https://de.wikisource.org/wiki/Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_715.jpg
74 Chronik des Verbandes Allschlaraffia zur Hundertjahrfeyer in Norimberga a. U. 100 (1959), digitalisierte PDF-Ausgabe Seite 185 (Seite 170 der Druckausgabe)
75 https://de.wikipedia.org/wiki/Karyatide
76 https://de.wikipedia.org/wiki/Philister_(%C3%84sthetik)
77 https://de.wikipedia.org/wiki/Max_Door
78 https://pro-heraldica.de/wissenswertes/lebenserwartung/
79 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/185394/umfrage/entwicklung-der-lebenserwartung-nach-geschlecht/
80 https://pro-heraldica.de/wissenswertes/lebenserwartung/
81 https://www.thueringer-allgemeine.de/web/zgt/leben/detail/-/specific/Studie-Unsere-Vorfahren-wurden-aelter-als-bisher-angenommen-34221434
82 https://www.pragabuch.org/history/teil-2-der-proletarier-club-ein-wunschtraum/
83 Chronik des Verbandes Allschlaraffia zur Hundertjahrfeyer in Norimberga a. U. 100 (1959), digitalisierte PDF-Ausgabe Seite 185 (Seite 170 der Druckausgabe)
84 „Prager Abendblatt“ vom 17. August 1869, Nr. 193, Seite 3, mittlere Spalte unter „Vom Theater“
85 „Prager Tagblatt“ vom 9. August 1878, Nr. 219, Seite 5, mittlere Spalte unter „Theater-Zeitung“
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Hier lesen Sie den sechsten Teil unserer HISTORY-Reihe „Ist das Gründungsdatum der Schlaraffia möglicherweise eine Fälschung?“. Der erste Teil startete am 12. August 2018. Um ganz sicher zu gehen, dass Sie keinen Teil verpassen, empfehlen wir Ihnen das kostenlose Abonnement durch Klick auf die gelbe Schaltfläche am Seitenanfang bzw. -ende dieses Artikels. Sie erhalten dann automatisch eine Benachrichtigung zugestellt.
[su_spacer size="35"][su_heading size="18"]Die Kunst des Geflunkers über die Gründungszeit der Schlaraffia[/su_heading]
In der vergangenen fünften Ausgabe wurde belegt, dass die Geschichte „Die Schlaraffengesellschaft“ vom Mitbegründer der Schlaraffia zu Prag, Eduard Schmidt-Weißenfels (Ritter Plato der grieschiche Bummler), nicht aus dem Jahre 1880 stammen konnte und eine historische Unkorrektheit verbreitet wurde. Weiter habe ich nachgewiesen, dass die Etablierung des Namens „Schlaraffia“ tatsächlich im Jahr 1859 erfolgte und die Gründungszeit auf den Zeitraum zwischen dem 10.10. und dem 17.12.1859 eingegrenzt werden konnte. Die Allschlaraffia liegt mit ihrer zeitlichen Aussage zur Namensgebung des Herrenbundes und zu ihren ritterlichen Gebräuchen mit ihrer Chronik nicht richtig. Freundlich verweise ich auf meinen [su_lightbox src="https://www.pragabuch.org/history/teil-4-die-schlaraffengesellschaft-ein-werk-aus-dem-jahre-1880/"]vierten Teil[/su_lightbox] vom 14. Oktober 2018.
Nun sind wir erneut an einer historisch spannenden Stelle angekommen. Sicher ist, dass der weltweite Herrenbund in jenen 58 Tagen gegründet wurde.
Aber war es tatsächlich der 10. Oktober 1859?
Geht es Ihnen manchmal auch so, dass Sie sich beim Lesen eines Buches in eine andere Epoche versetzt fühlen und in der Geschichte beginnen ein Leben zu führen? Mir erging es so und ich fragte mich, was kann alles in damaligen 58 Tagen passiert sein? In einer Zeit, in der es kein Telefon, Internet und Fernsehen gab und Informationen und Behördengänge auf analogen Wegen erfolgten, die weitaus mehr an Zeit brauchten. Zwar gab es bereits die [su_lightbox src="https://www.br.de/themen/wissen/samuel-morse-morseapparat-telegrafie-100.html"]Telegrafie[/su_lightbox], so dass man einen Text mithilfe von Elektrizität übertragen konnte, doch dürfte diese für meine Recherche kaum eine Bedeutung gehabt haben.
Bezogen auf „Die Schlaraffengeschichte“ fragte ich mich, für wie wahrscheinlich kann es als richtig angesehen werden, dass in 58 Tagen sich erstmals Mitglieder des Prager Theaters in einer Bierwirtschaft trafen, sich dazu mit lustigen Einfällen vergnügten, die Arcadia sich um dieselbe Zeit bildete, der Theaterdirektor Thomé sich der Kneipverbrüderung anschloss, die neue und freie Künstlervereinigung weitere Berufskreise als Mitglieder aufnahm, dazu stattlich wuchs, um sich dann in „absichtlicher Herausforderung gegen die so wählerischen Arcadier“ den Namen „Schlaraffia“ zu geben und auch noch in ein geräumigeres Lokal umzog?
Wird man da als Leser nicht stutzig, wenn es einem gelingt, eine Geschichte durch historische Funde auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen? Ich wurde stutzig.
Das Internet bietet eine Fülle an Recherchemöglichkeiten. Nur warum haben die obersten Hüter Schlaraffias ihre eigene Geschichte nicht hinterfragt, wenn, wie sie selbst sagen, keine sicheren schriftlichen und authentischen Unterlagen existieren67, die eine propagierte Überlieferung bestätigen?
Kann es vielleicht sein, dass der erlauchte Kreis Erkenntnisse hatte, diese aber nicht weiter kommunizieren wollte? Oder sind womöglich innerhalb der Schlaraffia Kräfte wirksam, die der Kunst, dem Humor und der Freundschaft fern sind? Wurde vielleicht der Begriff der „Freundschaft“ als Deckmantel eines Bandenschwurs benutzt? Liebe Leser, ich provoziere ein wenig und möchte auf diese Frage zunächst nicht näher eingehen.
Ehrlich gesagt, ich halte die Geschichte „Die Schlaraffengesellschaft“ aus der Gartenlaube nur in Teilen für glaubhaft. Und bei genauerer Betrachtung hatte Schmidt-Weißenfels mein Untersuchungsergebnis bereits vorweggenommen. Er schrieb wie folgt68:
Sagenhaft schon ist der Anfang dieser Schöpfung geworden. Keine Chronik vermöchte ganz zuverlässig einen einzelnen als ihren einzigen Urheber zu bezeichnen.
Dies belässt, wie den anderen Chronisten auch, viel Spielraum, seine eigene Fantasie zur Entstehung der „Schlaraffia“ auszuleben. Die Schlaraffen, gerade zu jener Zeit, wollten unterhalten und unterhalten werden. Schmidt-Weißenfels tat dies im Besonderen. Und welcher Künstler kann von sich behaupten, dass er a) kaufmännisch fit oder b) bürokratisch sicher war, um eine wahrhaftige Chronik zu schreiben?
Es sei daran erinnert, dass Ritter Drasal vom Glockenturm (Albert Maertens), der in der Schlaraffia zu Prag das Ambt des Wappen-, Adels- und Archivar inne hatte und die „Chronica allschlaraffiae“ 1898 verfasste, profan Schauspieler war. Und Ritter Plato der griechische Bummler (Schmidt-Weißenfels) die Prager Schlaraffia mitbegründete und sich mit seiner Geschichte in der „Gartenlaube“ verewigte, profan Schriftsteller und Journalist war.
Aus meiner eigenen schlaraffischen Zeit weiß ich, dass Sippungsprotokolle nicht immer korrekt geführt wurden. Auch war nicht jeder Einwand eines Schlaraffen zur vorgetragenen Protokollführung richtiger. Ich glaube eher, dass unser persönliches Empfinden mehr Einfluss ausübte, als die eigentlich gewünschte sachliche Darstellung eines Protokolls. Und mit Sicherheit war das damals nicht anders, vielleicht sogar ausgeprägter.
Lassen Sie mich aber erneut auf die Theaterzeitung „Der Zwischen-Akt“69 zurückkommen und auf die dortige Veröffentlichung eingehen, weil sie mir äußerst bedeutend erscheint. Ich führe den Abschnitt nochmals auf:
Unsere Stadt wird jetzt zwei Künstlergesellschaften besitzen, deren Abgang bisher fühlbar war. Die eine heißt „Arcadia“ und wird sich bald nach Neujahr aus den Capazitäten der Wissenschaft, Literatur und Kunst constituieren, jedoch auch Dilettanten so wie Kunstfreunden offen sein. Die zweite heißt „Schlaraffia“, sie ist vorwiegend scherzhafter Tendenz und größtentheils aus Bühnenmitgliedern bestehend. Die letztere Gesellschaft feierte Samstag recht vergnügt und anregend Beethoven‘s Gedächtnistag.
Es waren also zwei neue Künstlergesellschaften entstanden, die aber unterschiedliche Zielgruppen verfolgten. Interessant hierbei ist, dass gerade die elitäre Arcadia auch „Dilettanten“ und „Kunstfreunden“ offen sein wollte.
Passende Synonyme zum Dilettanten sind der „Stümper“ oder „Nichtskönner“, aber auch der „Anfänger“ oder „Nichtfachmann“. Nur wie passt das bitte mit der überlieferten Entstehung des Proletarier-Clubs zusammen? Bereits in meinem [su_lightbox src="https://www.pragabuch.org/history/teil-2-der-proletarier-club-ein-wunschtraum/"]zweiten Teil[/su_lightbox] dieser History-Reihe habe ich dargelegt, dass die Wahrscheinlichkeit des Proletarier-Clubs nicht gegeben sein muss und abermals deutet ein Indiz darauf hin, dass dieser nicht ins gezeichnete allschlaraffische Bild passt. Wurde die Arcadia durch die Gründung der Schlaraffia geschwächt? Sah sie sich genötigt, sich einem ungeliebten Kreise öffnen zu müssen?
Die Schlaraffia, so scheint es, war deutlicher zuzuordnen und genoss die Schelmerei, den Witz bzw. die Ausgelassenheit. Doch woher wusste die Theaterzeitschrift das alles?
An dieser Stelle verweise ich auf einen weiteren Fund aus dem Jahre 1859 (Januarausgabe) in der Wiener Zeitung70. In dieser hieß es:
Aus Prag 26. Jän. wird uns geschrieben: Wir haben wieder einen journalistischen Todten zu registrieren. Das „Österreichische Morgenblatt“ existiert nicht mehr. Das Blatt hatte das Eigenthümliche, daß es zweimal starb. Im März vorigen Jahres mit großem Pomp aufgetaucht, vermochte es trotz ziemlicher pekuniärer Mittel sich nur einige Monate zu erhalten, und im Oktober v. J. als Wochenblatt wieder in’s Leben gerufen, führte es ein Scheinleben von nur vier Monaten. Es lieferte beidesmal den Beweis, daß glänzende Mitarbeiter-Namen allein nicht genügen, sondern daß auch eine umsichtige Redaktion dazu gehört, einem Blatte Eingang und Halt zu verschaffen. Wenn ein vielverbreitetes Gerücht wahr spräche, würde diese Lücke in der Prager Journalistik bald wieder ersetzt werden. Theaterdirektor Thomé soll beabsichtigen ein eigenes Theaterblatt - das nach den Einen „Zwischenakt“ nach Anderen „Prager Theaterzeitung“ benannt werden würde - zu gründen. Wir glauben nicht recht an diese Sage. Ist ein Theater gut geleitet, so bedarf es keines eigenen Organes; ist es schlecht geleitet, dann wird sich das Publikum durch ein solches Direktionsorgan keineswegs bestimmen lassen, das Schlechte oder Mittelmäßige gut zu finden. Wir haben das in Prag am „Salon“ erlebt, den ein früherer Theaterdirektor als seinen journalistischen Schutz und Schirm gegründet hatte. Ursprünglich hieß es, der „Zwischenakt“ habe den Zweck, dem satyrischen Blatt „Rübezahl“ ein Paroli zu bieten, der sich in häufigen derben Ausfällen gegen das Theater ergeht und sich diesfalls auch bereits eine Preßklage zugezogen haben soll. - Da ich schon vom Theater spreche, füge ich die Notiz bei, daß in einer dieser Tage gehaltenen Sitzung die ständische Theateraufsicht dem Hrn. Direktor Thomé die Auszahlung der fälligen Subventionsrate bewilligt hat. Die Berücksichtigung des Satzes, daß „Aller Anfang schwer ist“, mag wohl den Hauptausschlag bei dieser Bewilligung gegeben haben, denn selbst die wärmsten Vertheidiger der gegenwärtigen Direktion läugnen nicht, daß unsere jetzigen Theaterzustände gar viel zu wünschen übrig lassen. Im heurigen Sommer wird das Theater neu umgebaut, vielleicht werden in dem neuen Gebäude auch die Theaterzustände selbst besser werden! Zu wünschen wär’s.
Der verantwortliche Redakteur der Wiener Zeitung, Dr. Leopold Schweitzer, schien dem Theaterdirektor Thomé nicht besonders wohlgesonnen zu sein. Er selbst glaubte nicht so recht an die Sage der Theaterzeitung „Der Zwischenakt“, obwohl selbige schon im Januar 1859 mit der ersten Ausgabe des Wiener „Zwischen-Akts“71 erschien. Auch wenn Thomé in dieser Zeitung nicht als Gründer, Teilhaber oder Verleger genannt ist, so wäre es dennoch denkbar, dass er an ihrer Entstehung oder Förderung mitwirkte. Diese Erklärung scheint mir sinnig, weshalb „Der Zwischen-Akt“ in seiner Ausgabe vom 30. Dezember 1859 so freudig über zwei Künstlergesellschaften zu Prag zu berichten wusste.
Meine Ritterarbeit wollte nicht enden, so schien es. Mit jedem Fund stieß ich auf ein weiteres interessantes Mosaik. Doch von alledem wurde durch den Herrenbund selbst nur sehr wenig entdeckt. Meine ganzen Funde trug ich wie ein Puzzlespiel zusammen. Aber das Puzzle hatte mir noch zu viele fehlende Teile. Werde ich jemals den wahren Schatz der Schlaraffia entdecken und heben können?
Lesen Sie mehr dazu in meinem siebten Teil.
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„Bleibt die Entstehung Schlaraffias ein Geheimnis?“
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67Chronik des Verbandes Allschlaraffia zur Hundertjahrfeyer in Norimberga a. U. 100 (1959), digitalisierte PDF-Ausgabe Seite 51 (Seite 36 der Druckausgabe).
68„Die Schlaraffengesellschaft“ erschienen in „Die Gartenlaube - Illustriertes Familienblatt“, Jahrgang 1880
69„Der Zwischen-Akt“ vom Freitag, den 30. Dezember 1859, Nr. 302, 2. Jahrgang, Seite 3, mittlere Spalte „Prag“
70„Wiener Zeitung“ vom 29. Jänner 1859, Nr. 23, Seite 7, linke Spalte unter „Vermischtes“
71„Der Zwischen-Akt“ vom 1. Jänner 1859, Nr. 1, 2. Jahrgang
Hier lesen Sie den fünften Teil unserer HISTORY-Reihe „Ist das Gründungsdatum der Schlaraffia möglicherweise eine Fälschung?“. Der erste Teil startete am 12. August 2018. Um ganz sicher zu gehen, dass Sie keinen Teil verpassen, empfehlen wir Ihnen das kostenlose Abonnement durch Klick auf die gelbe Schaltfläche am Seitenanfang bzw. -ende dieses Artikels. Sie erhalten dann automatisch eine Benachrichtigung zugestellt.
[su_spacer size="35"][su_heading size="18"]Irrgarten der Zahlen - Wer benennt die richtigen?[/su_heading]
In der vergangenen vierten Ausgabe wurde deutlich, dass verschiedene Jahreszahlen durch die Schlaraffia selbst durcheinander geraten waren. Natürlich ist es im Nachgang nicht immer leicht den Überblick zu behalten. Und je älter Schlaraffen werden, desto wahrscheinlicher sind auch Recherchepatzer. Die vielen Puzzleteile, die ich in historischen Zeitungen und Schriftstücken entdeckte und für meine Ritterarbeit zusammentrug, belegen, dass bisherige schlaraffische Entstehungsgeschichte anders verlief.
Zum besseren Verständnis halte ich verschiedene Fakten fest, die bis dato von mir gefunden wurden:
Tatsächlich konnte ich den Gründungkorridor der Schlaraffia auf wenige Monate begrenzen, nämlich auf die Zeit zwischen dem 10. Oktober 1859 und dem 23. Februar 1860.
Obwohl die Geschichte „Die Schlaraffengesellschaft“ mir mit dem Erscheinungsjahr 1880 zugestellt wurde und diese inhaltlich vollkommen korrekt erscheint, hegte ich Zweifel. So las ich heraus, dass Schmidt-Weißenfels für das Ablegen der Eigenwilligkeiten der Berolina das Konzil mit dem Jahr 187554 zu Leipzig benennt. Die „Chronik des Verbandes Allschlaraffia“55, aber auch die „Geschichte des Grotesk-Komischen“56 vom Concil im Jahre 1876 sprechen. Finden wir hier erneut einen Beleg dafür, dass der Literaturkritiker H.M.57 zu Recht bemängelte, dass dem Verfasser Schmidt-Weißenfels die „historische Gewissenhaftigkeit“ fehlte?
Aufgefallen im Dokument58 aus dem Jahr 1880 sind mir zudem ganz andere Dinge, nämlich die zeitlichen Fakten, die nicht zum Jahrgang der Ausgabe passten; denn der Verfasser schrieb:
Ehrgeizig trachteten sodann die einzelnen Reiche, ihre besonderen Feste, wie Stiftungstage, zehn, zwanzig und dann gar fünfundzwanzigjährige Jubiläen, womit die Praga 1884 den Reigen stolz eröffnen konnte, mit allem schlaraffischen Hofstaatspomp in Szene zu setzen und den aus allen Reichen geladenen eine schöne Gastfreundschaft zu erweisen.
oder
Der Corpsgeist, welcher gegen die Arcadia die Trutzschlaraffen hatte erstehen lassen, kräftigte sich durch alle diese heiteren Thaten und Genüsse, er bewirkte eine Brüderlichkeit der Gesinnung, die, wie dreißig Jahre es bewiesen haben, nicht von verrauschender, phrasenhafter und schnell in Ernüchterung verfallender Flüchtigkeit war, sondern sich auch in förderndem und manchmal rettendem Beistand goldrein bewährt hat.
oder
Großartiges hat neuerdings die Berolina zur dreitägigen Feier ihres fünfundzwanzigjährigen Jubiläums in den unteren Räumen des Kaiserhofhotels geboten.
Die Stellen, über die ich stolperte, habe ich rot markiert. Ein Dokument aus dem Jahre 1880 kann unmöglich in die Zukunft blicken, um in selbiger über die Vergangenheit zu schreiben. Auch der Hinweis „wie es dreißig Jahre bewiesen haben“ ist vielmehr ein Beleg dafür, dass das Dokument nicht aus dem Jahr 1880 stammen kann, wie auch der Hinweis zu „25 Jahre Berolina“. Die Berolina wurde von Ritter Plato am 27.10.186559 gegründet, wobei es tatsächlich der 24.10.186560 war. Da es sich bei Schmidt-Weißenfels um eine nacherzählte Geschichte historischer Ereignisse handelt, erlaube ich mir dem Gründungsjahr der Berolina 25 Jahre hinzuzufügen und komme so auf das Jahr 1890. Der Artikel Schmidt-Weißenfels muss also Ende des Jahres 1890 bzw. Anfang des Jahres 1891 geschrieben und publiziert worden sein. Die Chronik des Verbandes Allschlaraffia spricht vom Jahr 1889 (1589)61, lässt dazu aber in ihrer Interpretation die zeitlich erwähnten Ereignisse der Geschichte aus und konzentrierte sich vermutlich nur auf die Erwähnung des 30jährigen Bestehens der Schlaraffia. Nur so ist zu erklären, weshalb sie glaubt, „Die Schlaraffengesellschaft“ stamme aus dem Jahr 1889.
Aber wieso zeigt das Deckblatt zur Geschichte das Jahr 1880? Meine Recherche zum Deckblatt „Die Gartenlaube - Jahrgang 1880“, die ich ebenfalls im Internet62 durchführte, ergab, dass das Deckblatt identisch mit denen aus den Jahren 1886, 1889, 1890, 1891, 1892, 1893 und 1896 war und somit mehrfach eingesetzt wurde. In heutiger Zeit ist so etwas undenkbar, weil Magazine und Journale mit jeder Ausgabe ihr Erscheinungsbild ändern. Somit ist das einzige Unterscheidungsmerkmal der Deckblätter zu „Die Gartenlaube - Illustriertes Familienblatt“ die aufgedruckte Jahrgangsausgabe.
Vorgenannte Zeilen belegen, dass der zeitliche Abstand der veröffentlichten Schriften aus der „Chronica allschlaraffiae“ des Ritters Drasal und „Der Schlaraffengesellschaft“ des Ritters Plato nur noch 8 Jahre betragen und nicht mehr 18 (vorher erwähnte ich den Zeitraum von 1898 zu 1880; nun von 1898 zu 1890).
Und beide Schriften sind der historische Beleg über die Gründung der Schlaraffia. Doch ist Ritter Platos Schrift nicht nur 8 Jahre vor dem Werk des Ritters Drasal erschienen, sondern es ist auch die Wahl seiner Publizierung, die man berücksichtigen sollte.
Exkurs:
„Die Gartenlaube“ war eine deutsche illustrierte Wochenzeitschrift, die den neu erwachten Interessen des Volkes entgegenkam und in der Zeit von 1853 bis 1925 von Leipzig aus erschien, später von Berlin63. Die Illustrierte sprach als Unterhaltungs- und Informationsmedium die ganze Familie an. Neben Gedichten, Erzählungen und Novellen, sowie Biografien kamen auch naturwissenschaftliche, völkerkundliche, geschichtliche und medizinische Aufsätze nicht zu kurz. „Die Gartenlaube“ startete mit einer Auflage von 5.000 Exemplaren und erreichte in den Jahren 1875/1876 ihren Höhepunkt mit bis zu 460.000 Stück64. Noch bis zum Frühjahr 1885 ist die Auflagenzahl von 270.000 Exemplaren dokumentiert. Im September 1944 erzwangen die Kriegsfolgen die völlige Einstellung der Illustrierten.
Es darf also unterstellt werden, dass „Die Gartenlaube“ einen erheblichen Einfluss auf die gesellschaftliche Aufklärung des deutschen Volkes im 19. Jahrhundert ausübte.
Ritter Plato alias Schmidt-Weißenfels benennt das Datum des 10.10.1859 als erstmalige „Verabredung in einer Bierwirtschaft“ von Mitgliedern des Prager Theaters, weil selbige nach einer Vorstellung dort zusammenkamen und die Benennung der neuen Künstlervereinigung als „Schlaraffia“ später erfolgte. In meinen Ausführungen konnte ich nachweisen, dass die Namensnennung „Schlaraffia“ sich schon viel früher festigte, als es die Chronik des Verbandes Allschalraffia belegt (s. Tageszeitung „Die Presse“ aus dem Jahr 1860).
Nun will ich einen weiteren Beweis liefern, dass der Name „Schlaraffia“ sich tatsächlich schon im Jahr 1859 etablierte. Die Wiener Theaterzeitung „Der Zwischen-Akt“ vom 30. Dezember 1859 schrieb65:
- Prag. Nach Dawison kommen im Frühjahr Hr. und Frau Gabillon […] zu einem Gesamtgastspiel nach Prag. Die Wallenstein-Trilogie wird für den Januar vorbereitet, ein um so dankenswertheres Unternehmen unseres kunstsinnigen und unermüdlichen Theaterdirektors Thomé, als merkwürdiger Weise die Piccolomini in Prag noch niemals aufgeführt wurden. Unsere Stadt wird jetzt zwei Künstlergesellschaften besitzen, deren Abgang bisher fühlbar war. Die eine heißt „Arcadia“ und wird sich bald nach Neujahr aus den Capazitäten der Wissenschaft, Literatur und Kunst constituieren, jedoch auch Dilettanten so wie Kunstfreunden offen sein. Die zweite heißt „Schlaraffia“, sie ist vorwiegend scherzhafter Tendenz und größtentheils aus Bühnenmitgliedern bestehend. Die letztere Gesellschaft feierte Samstag recht vergnügt und anregend Beethoven‘s Gedächtnistag.
Das Wort „Abgang“ ist mit „Aufbruch“ bzw. „Start“ oder „Fahrtbeginn“ zu verstehen und nicht etwa negativ mit „Abschied“, „Verlust“ oder „Ausfall“.
Obiger Artikel erschien in einer Freitagsausgabe, so dass der „Gedächtnistag“ an einem Samstag, den 17.12.1859 stattgefunden haben muss. Denn Ludwig van Beethoven wurde am 17.12.1770 getauft66. Demnach feierte die „Schlaraffia“ wohl den 89. Tauftag Beethovens (Ehrenschlaraffe Florestan).
Jetzt wissen wir, dass der Name „Schlaraffia“ schon tatsächlich vor dem 17.12.1859 existierte. Also können wir den zeitlichen Korridor der Namensgebung zwischen dem 10.10.1859 und 17.12.1859 einordnen. Ersteres Datum wird durch schlaraffische Überlieferungen benannt und letzteres durch weltliche.
Was ist also in jenen historischen 58 Tagen passiert und wer könnte den Namen „Schlaraffia“ der Theaterzeitung benannt haben?
Lesen Sie in der nächsten Beitragsausgabe
„Die Kunst des Geflunkers über die Gründungszeit der Schlaraffia“
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50Teil 1 – Ist das Gründungsdatum der Schlaraffia möglicherweise eine Fälschung?
51Teil 2 – Der Proletarier-Club – Ein Wunschtraum?
52Teil 3 – 10. Oktober 1859 – Das magische Datum
53Teil 4 - Die Schlaraffengesellschaft - Ein Werk aus dem Jahre 1880?
54„Die Schlaraffengesellschaft“ erschienen in „Die Gartenlaube - Illustriertes Familienblatt“, Jahrgang 1880
55Chronik des Verbandes Allschlaraffia zur Hundertjahrfeyer in Norimberga a. U. 100 (1959), digitalisierte PDF-Ausgabe Seite 59 (Seite 44 der Druckausgabe)
56„Floegel-Ebeling’s Geschichte des Grotesk-Komischen“ von 1887, 5. Auflage, gefunden auf Google Book Search, Abschnitt „XIV. Allschlaraffia“, Seite 428 des PDF-Dokuments (Seite 376 der Druckausgabe)
57„Blätter für literarische Unterhaltung“ Nr. 15 vom 7. April 1859 aus dem Druck und Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig
58„Die Schlaraffengesellschaft“ erschienen in „Die Gartenlaube - Illustriertes Familienblatt“, Jahrgang 1880
59„Derer Schlaraffia Zeyttungen“ vom Brachmond a.U. 106, Nr. 9, 93. Jahrgang, Seite 18 im PDF (Seite 16 der Druckausgabe), Juni 1965
60Stammrolle Allschlaraffia a.U. 156/157 und das Wappen der Berolina in „Die Schlaraffengesellschaft“ erschienen in „Die Gartenlaube - Illustriertes Familienblatt“, Jahrgang 1880
61Chronik des Verbandes Allschlaraffia zur Hundertjahrfeyer in Norimberga a. U. 100 (1959), digitalisierte PDF-Ausgabe Seite 89 (Seite 74 der Druckausgabe)
62http://www.ebay.de/itm/Die-Gartenlaube-illustriertes-Familienblatt-Jahrgang-1891-Sammelband-/322464235994, http://www.ebay.de/itm/Die-Gartenlaube-Illustriertes-Familienblatt-Jahrgang-1886-sehr-gut-erhalten-/282398365833, https://picclick.de/Die-Gartenlaube-Illustriertes-Familienblatt-Jahrgang-1890-vollst%C3%A4ndig-332165493368.html, https://www.zvab.com/servlet/BookDetailsPL?bi=20338669699, https://www.zvab.com/servlet/BookDetailsPL?bi=20338701364, https://www.zvab.com/servlet/BookDetailsPL?bi=20308353242
63https://edoc.ub.uni-muenchen.de/2937/1/Baumgaertner_Margit.pdf
64Dissertationsarbeit zum Erwerb des Doktorgrades der Zahnheilkunde von Margit Baumgärtner 2004, https://edoc.ub.uni-muenchen.de/2937/1/Baumgaertner_Margit.pdf
65„Der Zwischen-Akt“ vom Freitag, den 30. Dezember 1859, Nr. 302, 2. Jahrgang, Seite 3, mittlere Spalte „Prag“
66https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_van_Beethoven
Hier lesen Sie den vierten Teil unserer HISTORY-Reihe „Ist das Gründungsdatum der Schlaraffia möglicherweise eine Fälschung?“. Der erste Teil startete am 12. August 2018. Um ganz sicher zu gehen, dass Sie keinen Teil verpassen, empfehlen wir Ihnen das kostenlose Abonnement durch Klick auf die gelbe Schaltfläche am Seitenanfang bzw. -ende dieses Artikels. Sie erhalten dann automatisch eine Benachrichtigung zugestellt.
[su_spacer size="35"][su_heading size="18"]Die Schlaraffengesellschaft - Ein Werk aus dem Jahre 1880?[/su_heading]
Es liegt in meiner Natur, nicht immer alles gleich zu glauben, was einem erzählt wird. An sich ist man sehr froh, wenn Schlaraffenfreunde einen unterstützen und mit Materialien versorgen. Das bedeutet aber nicht, dass diese dann ungeprüft verarbeit werden. Viel zu oft habe ich in schlaraffischen Sippungen erlebt, dass die Protokollführung nur bedingt genau genommen wurde.
Mit der „Schlaraffengesellschaft - Jahrgang 1880“ gewann ich einen bewegenden Einblick in die Entstehung der Schlaraffia von 1859. Diese Geschichte klingt plausibel und Vieles spricht für diese Fassung - aber warum?
a) Ritter Plato der griechische Bummler, profan Eduard Schmidt-Weißenfels, war Mitbegründer der Schlaraffia in Prag und Gründer der Schlaraffia Berolina35. Ritter Drasal vom Glockenturm, profan Albert Maertens, war „lediglich“ Wappen-, Adelsmarschall und Archivar der Allmutter Praga.
b) Ritter Plato verfasste seine Geschichte 1880 und damit 18 Jahre früher als Ritter Drasal mit seiner „Chronica allschlaraffiae“ von 1898.
c) Aufgrund des starken Mitgliederzuwachses durch andere Berufskreise wuchs die neue Gesellschaft, die sich „Schlaraffia“ taufte und in ein geräumigeres und geeigneteres Lokal umzog.
Zu c)
Das neue Lokal kann nur das Gasthaus „Zum Hopfenstock“ gewesen sein. Dies geht u.a. aus dem Buch „Floegel-Ebeling‘s Geschichte des Grotesk-Komischen“36 aus dem Jahre 1887 hervor. Dort steht geschrieben:
Mit dem Wachsen der Mitgliederzahl stellte sich bald das Bedürfnis heraus, alles Zwanges ledig zu werden und behufs dessen ein eigenes, abgesondertes Local zu erwerben. Man fand es im Gasthause „zum Hopfenstock“, und dort erst nahm der Verein allmählich eine Gestaltung an, welche zu seiner Ausbreitung wesentlich beitragen sollte.
Auch die „Chronik des Verbandes Allschlaraffia“ spricht von der Stammburg Hopfenstock, wobei sie für sich erkannte, dass der erste Eintrag der „Chronologia“ mit „10.10.1859: Gründung der Schlaraffia in der 1. Stammburg Hopfenstock“ falsch sei37.
d) Ritter Plato beschreibt die Menschen, die erstmals am 10.10.1859 nach einer Vorstellung in einer Bierwirtschaft zusammenkamen, als junges Volk, bei dem sich lieb gebliebenes Studententum mit künstlerischer Genialität vermischte, das Kneipen ihnen Freude schenkte und jugendlicher Übermut nach Führung suchte.
e) Laut Ritter Plato gründete sich die Arcadia um dieselbe Zeit in Prag, wie die losen Künstlertreffen - also im Jahr 1859.
Zu d) und e)
Hierzu fand ich ein passendes historisches Dokument aus dem Jahr 186038, in dem u.a. geschrieben steht:
Schon existieren die „Arcadia“ und die „Schlaraffia“ da, zwei Gesellschaften, viel genannt in letzter Zeit. Die „Arcadia“ hält, insolange ihre Statuten noch nicht obrigkeitlich bestätigt sind, ihre privaten Conventikel39 vorerst im „Schwarzen Roß“. Dort sitzen jeden Mittwoch zwei Dutzend Literaten, Musiker, Maler und Schauspieler beisammen und suchen sich beim Pilsener Bier die Zeit, so gut es eben geht, zu vertreiben. Innerlichst beneiden Sie die glücklichen Schlaraffen, deren Statuten einen einzigen Paragraph haben, der da lautet: Wer nicht liebt Wein, Weib und Gesang, der bleibt ein Narr sein Lebenlang.
Bei den Conventikeln der „Schlaraffia“ bilden Frauen eine reizende Staffage40; sie sind kein Hinderniß für die Schlaraffen, an ihrem den Rittern der alten Wiener Ludlamshöhle abgelernten Motto: kein vernünftiges Wort zu sprechen, festzuhalten. Die „Schlaraffia“, die „weinliebende“, tagt oder nachtet vielmehr im „Hopfenstock“, hat sich also direct unter den Schutz des Königs Gambrinus41 gestellt. Obwohl die Schlaraffen einander das tiefste Schweigen über alles, was im Schoße der „Schlaraffia“ vorgeht, gelobt, und einige dem Verdachte der Wortbrüchigkeit anheimgefallene Schlaraffen auch schon durch ein Scherbengericht42 ausgestoßen haben, so dringen doch immer wieder neue Details über die Sitzungen der „Schlaraffia“ in das Publicum. Man hört von den Reden, mit welchen der Schlaraffia-Cicero neue Schlaraffen einführt, von den Carricaturen, welche der Schlaraffia-Hogarth entwirft, und bei denen schon deshalb, weil er ein Schauspieler minimorum gentium ist, besonders die Recensenten schlecht wegkommen; von theatralischen Vorstellungen, Conceptprogrammen und Schweinfestessen. Die Schlaraffen von reinstem Wasser betreiben die Sache ganz ernst, wichtig und leidenschaftlich.
Liebe Leser, Sie merken, dass wir bereits tief in die Materie eingestiegen sind. In obigem Text sind gleich mehrere Elemente enthalten, die ich für bedeutend halte und weiter untersuchen möchte, weil sie so gar nicht im Einklang mit der Chronik des Verbandes Allschlaraffia stehen. Darauf möchte ich wie folgt eingehen:
Im Anfang des Jahres 1861 hatte eins ihrer Mitglieder den ernsten Einfall, all dies Treiben und den Sinn des Schlaraffenthums in die regelrechten Formeln eines Reichsstatus, eines „Spiegels“, zu fassen, und mit dessen Annahme erhielt die Schlaraffia ihre stehende Organisation und trat in ein gefestetes Vereinsverhältnis. Im wesentlichen ist dies Statut bis heute maßgebend für alle Erweiterungen geblieben, welche die Gesellschaft erfuhr.
Wer war dieses eine Mitglied? Spricht Ritter Plato ggf. von sich selbst, weil er profan als Schmidt-Weißenfels schrieb? Mit Sicherheit ja, weil Schmidt-Weißenfels von der Übersiedlung nach Berlin im Oktober 1865 sprach, um eine neue Schlaraffia zu gründen - die „Berolina“. Ritter Plato ist der Gründer der Berolina.
Exkurs:
Zur Berolina erlaube ich mir einen kleinen Exkurs, denn sie bekam eine andere Form der Regierung, die nämlich statt dreier gewählter Oberschlaraffen einen „Mikado“48 als persönlichen Vertreter aller Weisheit zu den „Sippungen“ bekam und einen natürlich allmächtigen Reichskanzler in der japanischen Benennung eines „Taikun“49. Laut Schmidt-Weißenfels galt die Berolina als eine Abzweigung der Prager Schlaraffia, weil an eine Verbreitung des Schlaraffentums in andere „Burgen“ noch nicht gedacht wurde.
Vom Mikado-/Taikun-Regime, wie es in der Berolina praktiziert wurde, ist nichts mehr in der Schlaraffia verblieben. Die Chronik des Verbandes Allschlaraffia benennt übereinstimmend mit der Geschichte von Schmidt-Weißenfels, dass die Berolina ihre Eigenwilligkeiten zu Gunsten des Reyches zu Prag ablegte und selbige als Tochter anerkannte.
Bei so vielen Ungereimtheiten, wie ich sie durch viel Lesen und Prüfen entdeckte, bin ich doch ein wenig überrascht, wie man in der Vergangeheit uns das eine oder andere als „historisch belegt“ verkaufte. An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass ich kein Historiker bin und auch nicht frei von Fehlern. Ich kenne aber die Strukturen des Internets, weiß um die Möglichkeiten des Recherchierens und kann Inhalte kombinieren. Das Bild der schlaraffischen Gründung wandelte sich mit jeder Ausgabe mehr.
Lesen Sie in der nächsten Beitragsausgabe
„Irrgarten der Zahlen - Wer benennt die richtigen?“
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35„Derer Schlaraffia Zeyttungen“ vom Brachmond a.U. 106, Nr. 9, 93. Jahrgang, Seite 18 im PDF (Seite 16 der Druckausgabe), Juni 1965
36„Floegel-Ebeling’s Geschichte des Grotesk-Komischen“ von 1887, 5. Auflage, gefunden auf Google Book Search, Abschnitt „XIV. Allschlaraffia“, Seite 424 des PDF-Dokuments (Seite 372 der Druckausgabe)
37Chronik des Verbandes Allschlaraffia zur Hundertjahrfeyer in Norimberga a. U. 100 (1959), digitalisierte PDF-Ausgabe Seite 94 (Seite 79 der Druckausgabe)
38„Die Presse“ vom Donnerstag, den 23. Februar 1860, Nr. 54, 13. Jahrgang, Seite 2, Spalte rechts, Artikel „Aus Prag“
39https://de.wikipedia.org/wiki/Konventikel
40https://de.wikipedia.org/wiki/Staffage
41https://de.wikipedia.org/wiki/Gambrinus_(Person)
42https://de.wikipedia.org/wiki/Scherbengericht
43Chronik des Verbandes Allschlaraffia zur Hundertjahrfeyer in Norimberga a. U. 100 (1959), digitalisierte PDF-Ausgabe Seite 60 (Seite 45 der Druckausgabe)
44https://de.wikipedia.org/wiki/Staffage
45Chronik des Verbandes Allschlaraffia zur Hundertjahrfeyer in Norimberga a. U. 100 (1959), digitalisierte PDF-Ausgabe Seite 60 (Seite 45 der Druckausgabe)
46Chronik des Verbandes Allschlaraffia zur Hundertjahrfeyer in Norimberga a. U. 100 (1959), digitalisierte PDF-Ausgabe Seite 66 (Seite 51 der Druckausgabe)
47„Die Schlaraffengesellschaft“ erschienen in „Die Gartenlaube - Illustriertes Familienblatt“, Jahrgang 1880
48https://de.wikipedia.org/wiki/Tenn%C5%8D
49https://de.wikipedia.org/wiki/Tycoon
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[su_spacer size="35"][su_heading size="18"]10. Oktober 1859 - Das magische Datum[/su_heading]
Wenn Geschichte zu leben beginnt! So fühlte ich, als ich etliche historische Schriften las. Und interessierte Schlaraffen lieferten mir zwischendurch Informationen, die ich doch bitte weiterverfolgen sollte. So auch ein aufmerksamer Chronist, der mir einen Internetlink27 zustellte. Es öffnete sich ein frei zugängliches zeitgenössisches Dokument, das aus dem Jahre 1880 stammen soll. Dieses Dokument müsste demnach ganze 18 Jahre früher geschrieben worden sein, als die Version des Ritters Drasal. Es ist nämlich die Geschichte über „Die Schlaraffengesellschaft“ von Ritter Plato der griechische Bummler (Eduard Schmidt-Weißenfels, Mitbegründer der Schlaraffia Praga und Gründer der Schlaraffia Berolina28).
Profan schrieb Schmidt-Weißenfels des Öfteren für das sehr beliebte Familienjournal „Die Gartenlaube“. In der mir übermittelten Ausgabe des illustrierten Familienblatts (Jahrgang 1880) erzählte er nicht nur wie die Schlaraffia zu verstehen ist, sondern auch wie sie entstand.
Sagenhaft schon ist der Anfang dieser Schöpfung geworden. Keine Chronik vermöchte ganz zuverlässig einen einzelnen als ihren einzigen Urheber zu bezeichnen. Zumeist waren es Mitglieder des Prager Landestheaters, die zuerst am 10. Oktober 1859 nach der Vorstellung auf Verabredung in einer Bierwirtschaft zusammenkamen und in lustigen Einfällen sich vergnügten. Damals besaß jene Bühne unter ihrem Direktor Thomé einen stattlichen Bestand an jungen, aufstrebenden Talenten, von denen mehr als eines später zu Ruhm und schönen Erfolgen gelangt ist. Diesem jungen Volk, bei dem theilweis lieb gebliebenes Studententhum mit künstlerischer Genialität sich versetzte, war das Kneipen helle Lust, und jugendlicher Uebermuth suchte ihm einen idealen Zug zu geben. So entstand dort, was eine so große, ungeahnte Zukunft haben sollte.
Das Datum des 10. Oktobers 1859 wird von Schmidt-Weißenfels für die erstmalige „Verabredung in einer Bierwirtschaft“ von Mitgliedern des Prager Theaters fixiert, die nach einer Vorstellung dort zusammenkamen, um sich in „lustigen Einfällen“ zu vergnügen. Weiter schrieb er:
Um dieselbe Zeit hatte sich in Prag ein ästhetisch-litterarischer Verein unter dem Namen „Arcadia“ gebildet, dem auch mehrere Angehörige des Theaters beitraten. Als aber einmal ein neu angemeldetes Mitglied bei der Ballotage29 abgelehnt wurde, erklärtem im kollegialischem Ehrgefühl die schon aufgenommenen ihr Ausscheiden aus dieser Gesellschaft. Trutziglich beschlossen sie, aus der erwähnten lustigen Kneipverbrüderung eine freie Künstlervereinigung zu machen. Ihr Theaterdirektor schloß sich an und zog einen weiteren Theil seines Personals an sich; ebenso wurden neue Mitglieder aus anderen Berufskreisen gewonnen.
Laut Aufsatz von Schmidt-Weißenfels ist weder der 10. Oktober 1859 das Gründungsdatum der Schlaraffia, noch ist ein Hinweis gegeben, dass der Theaterdirektor Thomé der Arcadia angehört haben musste. Thomé schloss sich lediglich der „Kneipverbrüderung“ an, die eine freie Künstlervereinigung war. Auch ist in seinem Aufsatz niedergeschrieben, dass der Austritt von Mitgliedern des Prager Theaters aufgrund einer Schwarzkugelung eines neu angemeldeten Mitglieds erfolgte und nicht, weil im Verlauf einer Konversation das Wort „Proletariar“ fiel. Auch ist der Hinweis interessant, dass die neue freie Künstlervereinigung andere Berufskreise als Mitglieder gewann; also Kreise, die der klassischen darstellenden, literarischen und musischen Kunst wohl fremd waren. Schmidt-Weißenfels schrieb weiter:
Die auf solche Weise stattlich verstärkte Gesellschaft taufte sich in absichtlicher Herausforderung gegen die so wählerischen Arcadier unter großem Jubel „Schlaraffia“ und nahm sogleich den Umzug in ein anderes geräumigeres und besser geeignetes Lokal vor, bei welchem schon schlaraffischer Spaß genugsam in Scene gesetzt wurde.
Bei solch einem historischen Fund musste ich mir natürlich die Frage stellen, ob die von Schmidt-Weißenfels vorgetragene Version zur Gründung der Schlaraffia stimmen konnte und der zeitliche Kontext passte? Also forschte ich weiter und entdeckte Interessantes. Ich stieß beispielsweise auf ein Dokument30 aus dem Jahre 1859, in dem ein Literaturkritiker (H. M.) über die „Charaktere der deutschen Literatur - von Schmidt-Weißenfels, zwei Bände, Prag, Kober und Markgraf 1859, Nr. 8“ schrieb. Dort bescheinigte der Kritiker dem Autor Schmidt-Weißenfels das Fehlen an Kenntnis historischer Vergangenheit wie folgt:
Schmidt-Weißenfels ist ganz ein Kind der Gegenwart, das alle Leiden und Gebrechen der Generation aufs schmerzlichste mitempfindet; aber es fehlt ihm an Kenntnis der historischen Vergangenheit, an gründlichen Studien und literarischer Durchbildung. Wir trauten unseren Augen kaum, als wir bei ihm lesen mußten, daß Lessing31 ein Jude gewesen. Der Verfasser hebt vielleicht sehr treffend hervor, daß der germanische Geist wie kein anderer mit der Eigenthümlichkeit behaftet sei, „neben dem positiven Schaffen auch die Kritik auszuüben“ und „das ewige Wesen und die ewige Wahrheit herauszuholen“, daß diese angeborene Dialektik, „welche ihm eine Weltanschauung ohnegleichen verschafft hat und ihn hoch über den Geist aller anderen Rassen stellt“, ihn dem Geist des Judenthums vielfach verwandt mache, daß beide, der jüdische wie der germanische Geist deshalb auch in einer „wunderbaren Harmonie“ zusammengingen, „sobald diese kritische Epoche sich geltend macht“, und er fährt dann fort: „So war es bei Spinoza32, so bei Lessing, so bei Börne33 und Heine34“, und ein paar Seiten darauf sagt er: „Um den Gegensatz zu diesem Kampf hinzustellen, führt Auerbach die auf der Höhe der Zeitideen stehenden Juden ein, nämlich Lessing und Mendelssohn“. Der Verfasser, wenn er es sonst nicht wußte, hätte er nur das Conversations-Lexikon aufschlagen dürfen, um in Erfahrung zu bringen, daß Lessing der Sohn eines protestantischen Predigers war. Von der Ironie, womit, wenn wir uns recht erinnern, Wolfgang Menzel in moralischer und geistiger Beziehung Lessing einen Juden genannt hat, müssen wir Schmidt vollkommen freisprechen; Ironie ist ihm ein gänzlich fremdes Element; aber historische Gewissenhaftigkeit sollte ihm wenigstens nicht fremd sein. Des Verfassers Stil kennen unsere Leser aus seinen Beiträgen für d. Bl.; er ist gewandt, fließend, sehr lebhaft, oft glänzend, aber zuweilen phrasenhaft und zu bilderreich, an Stellen, wo der einfachste Ausdruck auch der wirksamste sein würde; es fehlt ihm an Bestimmtheit und Correctheit; es finden sich nicht selten Verstöße gegen die deutsche Grammatik und Syntax und Flüchtigkeiten und Nachlässigkeiten, die selbst bei mangelhafter Kenntnis der Grammatik bei einiger Aufmerksamkeit leicht zu vermeiden waren; die Satzbildung erinnert zuweilen an französische Constructionen, an die der Verfasser noch von seiner langjährigen Beschäftigung an pariser Journalen her gewöhnt sein mag, die er aber abzuthun nun ernstlich bedacht sein sollte, seitdem er nicht mehr französischer, sondern deutscher Journalist ist.
So sehr man die Leistungen Schmidt-Weißenfels auch ehrte, so hatte wohl auch er Schwächen. Um die Objektivität meiner Recherchearbeit zu wahren, sind auch solche Ergebnisse zu benennen. Und mal ehrlich: Ist die Literaturkritik, bezogen auf die Geschichte „Die Schlaraffengesellschaft“, nicht trefflich formuliert? Wer sie liest, entdeckt das Bildreiche, Lebhafte und Glänzende in seinen Zeilen. Und wäre es nicht denkbar, dass, um die Leselust beim Leser aufrechtzuerhalten, man auf die eine oder andere Genauigkeit, Bestimmtheit oder Korrektheit verzichtete?
Dennoch wollte ich wissen, wie glaubhaft Schmidt-Weißenfels Erzählungen einzustufen sind und untersuchte das Jahr 1859 weiter. Was spricht für seine Version, die doch in wichtigen Punkten von den Erzählungen des Ritters Drasal und Dr. Walko abweichen? Dazu prüfte ich die Zeilen von ihm und fragte mich, werde ich seine Darstellungen als unrichtig entlarven können? Doch dazu mehr in der kommenden Ausgabe.
Lesen Sie in der nächsten Beitragsausgabe
„Die Schlaraffengesellschaft - Ein Werk aus dem Jahre 1880?“
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27Gartenlaube - Truymannia
28„Derer Schlaraffia Zeyttungen“ vom Brachmond a.U. 106, Nr. 9, 93. Jahrgang, Seite 18 im PDF (Seite 16 der Druckausgabe), Juni 1965
29https://de.wikipedia.org/wiki/Kugelung
30„Blätter für literarische Unterhaltung“ Nr. 15 vom 7. April 1859 aus dem Druck und Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig
31https://de.wikipedia.org/wiki/Gotthold_Ephraim_Lessing
32https://de.wikipedia.org/wiki/Baruch_de_Spinoza
33https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_B%C3%B6rne
34https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Heine
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[su_spacer size="35"][su_heading size="18"]Der Proletarier-Club - Ein Wunschtraum?[/su_heading]
Wann immer wir Schlaraffen auf Profane treffen und ihnen von Schlaraffia erzählen, dann erzählen wir auch von ihrer Entstehungsgeschichte. Und das Hauptaugenmerk richtet sich dabei auf die Überlieferung, die ich zu Beginn erzählte. Es ist die Geschichte des Ritters Drasal der Glockenturm (Schauspieler Albert Maertens), seinerzeit Wappen-, Adelsmarshall und Archivar der Allmutter Praga, die er 1898 in seiner „Chronica allschlaraffiae“ verewigte. Es ist aber auch bekannt, dass keine sicheren schriftlichen und authentischen Unterlagen existieren, die genau diese Überlieferung11 bestätigen. Somit darf unterstellt werden, dass diese Geschichte sich so nicht ereignet haben muss.
Ich möchte gerne erklären, warum ich die Geschichte des „Proletaria-Clubs“ anders sehe und lege dazu unterschiedliche Fundstellen vor.
Doch zunächst beziehe ich mich auf das Vorwort des 59 Seiten starken Heftchens mit dem Titel „Schlaraffia“12 von Dr. Karl Walko, seinerzeit Universitätsprofessor in Prag, aus dem Jahr 193613, das 1979 von der Schlaraffia Basilea neu aufgelegt wurde. Ein aufmerksamer Kantzler des Uhuversums sendete mir dieses Schriftstück via Email zu. Auzugsweise möchte ich wichtige Passagen benennen.
„Trotzdem der Verein Schlaraffia fast 80 Jahre besteht, ist außer einem Buche [...] nur wenig veröffentlicht worden, was dem Außenstehenden über das Wesen und den Zweck des Verbandes Aufschluß geben könnte. Bei meinen zahlreichen Besprechungen [...] über Schlaraffia [...] erkannte ich aber, daß die Öffentlichkeit über Schlaraffia fast gar nicht orientiert ist und die vielfach irrigen Anschauungen nur aus der völligen Unkenntnis der Verhältnisse heraus erfolgen. Dies veranlaßte mich, in Kürze [...] zusammenzufassen, was über die Geschichte [...] des Verbandes Allschlaraffia [...] für die Öffentlichkeit interessant und wissenswert erscheint.
Die Menschen urteilen leicht und unbedenklich über Dinge, die sie nur höchst oberflächlich kennen, und vergessen, daß, um zu urteilen oder gar zu verurteilen, bei jeder Erscheinung im Leben ein Blick in die Tiefe nötig ist. „In die Tiefe mußt Du steigen, soll sich Dir das Wesen zeigen“, meint Schiller mit Recht; wer aber folgt seinem Wort? Schnellfertiges Urteilen, hartes, unbegründetes Verurteilen hat in unseren Tagen auch Schlaraffia erlebt [...]. Es handelt sich mir im folgenden weder um eine Propaganda-, noch um eine Verteidigungschrift, sondern ausschließlich um eine wahrheitsgemäße Darstellung [...]. Darum mögen die folgenden Ausführungen dazu beitragen, ein wahres Bild dieses einzigartigen Bundes zu veranschaulichen.“
Der Verfasser versucht ein „wahres Bild“ zu zeichnen, wobei mir folgende Zeilen auffielen:
Die Menschen urteilen leicht und unbedenklich über Dinge, die sie nur höchst oberflächlich kennen, und vergessen, daß, um zu urteilen oder gar zu verurteilen, bei jeder Erscheinung im Leben ein Blick in die Tiefe nötig ist.
Genau diese Worte beflügelten mich in meinen Recherchen, weil ich sie einmal in meinem zweiten, wie auch schon in meinem ersten schlaraffischen Leben erfuhr. Ja, ich war schon einmal Ritter und wurde es nun ein zweites Mal. Daher kann ich mir ein leichtes Schmunzeln nicht verkneifen, wenn gereifte Ritter mich mit Jung-Ritter Applood anschreiben. Mit meiner Ritterarbeit wagte ich eine moderne Herangehensweise der Tiefe, die Überliefertes bestätigt aber auch manches als unrichtig entlarven dürfte.
Die Geschichte des Proletarier-Clubs ist ein wichtiges Merkmal in der Entstehung Schlaraffias. Sie ist der Stolz aller Schlaraffen, weil seinerzeit eine kleine Gruppe bedeutender Künstler es wagte, dem Protz der anerkannten Arcadia a) zu widerstehen, b) sie zu verlassen, um dann c) sie in einer eigenen Formierung aufs Korn zu nehmen, um deren Hochmut im künstlerischen Spiel zu persiflieren.
Mal ehrlich — gibt es etwas Schöneres, als Geschichten, in denen das „Gute“ gegenüber dem „Bösen“ siegt? Lieben wir nicht alle das klare, leichte und genüssliche Handeln? Und wäre dieses Treiben nicht auch bei jenen zu finden gewesen, die sich aus diesem Stolze zusammentaten? Müsste es nicht sogar eine Art „Leitmotiv“ zu jener Zeit gewesen sein, allein schon, um neue Mitglieder zu werben?
Liebe Leser, ich erlaube mir bewusst Fragen zu stellen, die auf die Bedürfnisse der Menschen gründen und durchaus nicht so unproblematisch gewesen sein dürften, wie sie uns im Nachgang dargestellt werden. So wurde die Schlaraffia bereits im 19. Jahrhundert immer wieder mit Geheimbünden, wie den Freimaurern, in Verbindung gebracht, so dass sich die Schlaraffia stets genötigt sah, eine Gegendarstellung in den örtlichen Tageszeitungen abzudrucken. Beispielhaft verweise ich auf die „Erklärung“14 aus dem Jahr 1894:
Nachdem das „Voralberger Volksblatt“ eine ihm von dem Vereine „Schlaraffia“ in Feldkirch am 10. d. M. zugesendete, auf die mehrfachen gegen denselben gerichteten Angriffe bezügliche Erklärung nicht nur nicht veröffentlicht, sondern sogar sich in weiteren Anwürfen ergangen hat, sieht sich der genannte Verein veranlaßt, Nachstehendes zu erklären:
In eine Polemik mit dem „Vorarb. Volksblatt“ läßt sich die „Schlaraffia“ weiter nicht ein, wohl aber wird sie es nicht unterlassen, gegen weitere Angriffe den ihr zustehenden gesetzlichen Schutz anzurufen.
Und in der Tat, die Schlaraffia scheute die Öffentlichkeit nicht. Sie ist in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts häufig in der Tagespresse zu finden gewesen, mit kurzen und langen Geschichten. Sei es, dass sie für den Narren-Abend15 einlud und ein „komisches Kostüme“ zum Eintritte in die Narrenvertretung vorschrieb oder man der Prager Schlaraffia einen „Schlaraffinengalopp“16 als Tanzstück widmete. Auch bei Wohltätigkeitsveranstaltungen17 zeigte sich die Schlaraffia stets präsent, um mit dem Erträgnis einer Vorstellung möglichst hohe Spendeneinnahmen zu erzielen.
Schlaraffia war gesellschaftliches Leben, so dass sogar die größte Maskenleihanstalt D.J. Abeles18 1867 folgendermaßen warb:
An die geehrten Besucher des Narrenabends der Schlaraffia. Alle jene Herren, die etwa die Absicht haben zu diesem Abend ihre Kostüme von mir zu borgen, richte ich die höfliche Bitte, mir recht zeitlich ihre geschätzten Aufträge zukommen zu lassen. Daselbst werden auch Narrenkappen billig verliehen. Ich zeichne mich mit außerordentlicher Hochachtung.
Nun stelle ich die These auf, dass die Schlaraffia wegen ihrer Kunst allseits geschätzt wurde und die Geschichte des Proletarier-Clubs nicht verheimlicht hätte. Interessanterweise fand ich in den damaligen Zeitungen keine Hinweise auf einen Proletarier-Club; er tauchte schlichtweg nicht auf. Erst in einer Zeitungsausgabe von 1935 fand ich eine Berichterstattung mit dem Titel „Ritterliche Vereinigungen“19:
Die Ansichten über den Ursprung der „grünen Insel“ gehen aber in Ritterkreisen auseinander; während die einen behaupten, daß dieselbe aus der aufgelösten „Ludlamshöhle“ hervorging, (Richard von Freising „Das gegenwärtige Rittertum“ - Ritterschaftlicher Almanach 1905), erklären die anderen, „die grüne Insel“ sei als Nachfolge der aufgelösten „Wildensteyner Ritterschaft“ anzusehen. (Siegfried von Löwenklau und Kunz von Karneyd, „Deutscher Ritterspiegel“). Eine Abart der Rittervereinigungen, die durch eine große Anzahl von analogen Zeremonialbegriffen und die Gründerzeit (1859) auf die gleiche Abstammung hinweist, ist „die Schlaraffia“, die aus der „Arcadia“ in Prag, einer aus höheren Beamten und Künstlern bestehenden Gesellschaft, durch die Spaltung in den sogenannten „Proletarierverein“ hervorging.
In der Erzählung von Ritter Drasal20 zeigte sich der Opernsänger Albert Eilers entrüstet, so dass Franz Thomé seinen Austritt aus der Arcadia anmeldete und einige Mitglieder ihm folgten. Gleichzeitig zur Arcadia bestand eine Gesellschaft von Künstlern und Kunstfreunden, der Thomé und eine Mehrzahl seiner Künstler angehörten und ihre zwanglosen Zusammenkünfte in der Freund’s Restauration, Ecke Wassergasse und Grube, hatten. Die namenlose Tafelrunde nannten sie zum Trotz der Arcadia „Proletarier-Club“.
Dr. Karl Walko21 schrieb, dass die ausgetretenen sich einer bestehenden Tischgesellschaft anschlossen, die gleichfalls aus Künstlern bestand und in dem Freund’schen Gasthaus in der Grube, Ecke Wassergasse in Prag-Neustadt, ihr Stammlokal hatte. Und dort wurde im Frühjahr der „Proletarierklub“ als Trutzgesellschaft gegen die Arcadia gegründet.
Obwohl sich beide Versionen zunächst gleichen, gibt es den wesentlichen Unterschied, dass bei Ritter Drasal Thomé und seine Künstler bereits der „namenlosen Tafelrunde“ angehörten und bei Dr. Walko sie sich dieser Künstlergesellschaft anschlossen22.
Und Dr. Walko führt weiter aus, dass aus diesen Versammlungen sich allmählich ein Verein bildete, welcher den Namen „Schlaraffia“ führte. Wenn dieser „Proletarier-Club“ so bedeutend war, warum erzählten die Schlaraffen nicht öffentlich darüber?
Ist eine mögliche Antwort auf diese Frage gegeben, die in der Chronik des Verbandes Allschlaraffia zu finden ist? Denn dort heißt es, obwohl das Proletarier-Bild23 „Proletarier-Club in Nöthen“ ein geselliges Leben der „Freund’s Restauration“ zeigt, wird der Club als ein „verunglücktes Unternehmen“ ohne „Zugkraft“ und Mangel an „notwendigen Grundlagen, Inhalt und geistigem Ideale“ bezeichnet.
Und ich stellte mir die Frage, ob tatsächlich Franz Thomé der Arcadia angehörte? Laut obigen Überlieferungen „Ja“ - nur habe ich in öffentlichen Archiven der Jahre 1858/1859 ebenfalls nichts finden können. Hätte die öffentliche Berichterstattung damaliger Zeit, die sehr viel über Franz Thomé berichtete, gerade, weil er im April 185824 die Leitung des Prager Theaters übernahm und dieses sehr erfolgreich bis 1864 führte, nicht auch über seine Mitgliedschaft in der elitären Arcadia berichtet?
Übereinstimmend ist niedergeschrieben, dass die Aufzeichnungen über die allererste schlaraffische Zeit sehr spärlich sind und laut Dr. Walko mit einem Tagebuch oder Protokollbuch vom 4. November 186025 begannen. Selbst die „Chronica allschlaraffiae“ des Ritters Drasal ist erst 1898 – also 39 Jahre später – verfasst und „wohl mehr auf Grund vom Hörensagen schlaraffischer Erzählungen und Darstellungen“26 überliefert worden.
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„10. Oktober 1859 - Das magische Datum“
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11Chronik des Verbandes Allschlaraffia zur Hundertjahrfeyer in Norimberga a. U. 100 (1959), digitalisierte PDF-Ausgabe Seite 51 (Seite 36 der Druckausgabe).
12„Schlaraffia“ von Dr. Karl Walko, Universitätsprofessor in Prag, Juni 1936, Neuauflage Juli 1979, Seite 3 des PDF-Dokuments und der Druckausgabe
13https://books.google.com/books/about/Schlaraffia.html?id=XLL7mQEACAAJ
14„Bregenzer Tagblatt“ vom 19. April 1894, Nr. 2477, Seite 3, mittlere Spalte unter „Eingesandt“
15„Fremden-Blatt“ vom 13. Jänner 1866, Nr. 11, Seite 5, Spalte 2
16„Prager Abendblatt“ vom 9. März 1877, Nr. 56, Seite 2, Spalte 3
17„Neue Freie Presse“ vom 13. Dezember 1881, Nr. 6213, Seite 7, Spalte 1
18„Prager Abendblatt“ vom 27. Februar 1867, Nr. 50, Seite 4 unten links
19„Neue Klosterburger Zeitung“ vom 12. Jänner 1935, Folge 2, Seite, 4, Spalte 2
20Chronik des Verbandes Allschlaraffia zur Hundertjahrfeyer in Norimberga a. U. 100 (1959), digitalisierte PDF-Ausgabe Seite 51 (Seite 36 der Druckausgabe)
21„Schlaraffia“ von Dr. Karl Walko, Universitätsprofessor in Prag, Juni 1936, Neuauflage Juli 1979, Seite 5 des PDF-Dokuments (Seite 7 der Druckausgabe)
22Chronik des Verbandes Allschlaraffia zur Hundertjahrfeyer in Norimberga a. U. 100 (1959), digitalisierte PDF-Ausgabe Seite 55 (Seite 40 der Druckausgabe)
23Chronik des Verbandes Allschlaraffia zur Hundertjahrfeyer in Norimberga a. U. 100 (1959), digitalisierte PDF-Ausgabe Seite 56 (Seite 41 der Druckausgabe)
24„Deutsche Allgemeine Zeitung“ vom 10. Februar 1858, Nr 34, Seite 7, zweite Spalte zu „Prag, 28.Jan.“
25„Schlaraffia“ von Dr. Karl Walko, Universitätsprofessor in Prag, Juni 1936, Neuauflage Juli 1979, Seite 6 des PDF-Dokuments (Seite 8 der Druckausgabe)
26Chronik des Verbandes Allschlaraffia zur Hundertjahrfeyer in Norimberga a. U. 100 (1959), digitalisierte PDF-Ausgabe Seite 51 (Seite 36 der Druckausgabe)
Eine Frage, die ich mir und anderen Schlaraffen stellte. Von Ablehnung bis hin zu Lob erntete ich alles an Rückmeldungen zahlreicher Kantzler schlaraffischer Reyche, die ich anschrieb. Angespornt von den positiven Rückmeldungen verschiedener Reyche, machte ich mich deshalb im Januar 2017, anlässlich meiner Ritterarbeit, auf die Suche nach dem Gründungsdatum der Schlaraffia. Sechs Monate lang recherchierte ich und habe dazu gut 3.000 Schriften des 18., 19. und 20. Jahrhunderts gesichtet und durchforstet. Etwa 260 relevante Beiträge sind dabei in Zeitungen gefunden worden; stellenweise erhielt ich historische Unterlagen von Schlaraffen zur Schlaraffia zugestellt. Die schlaraffischen Unterlagen dienten mir als Ursprung getroffener Aussagen, um diese auf Richtigkeit überprüfen zu können. Auch das 60 Jahre alte Archiv meines Heimatreychs der Rio Carioca diente mir in meinen Recherchen.
Liebe Leser, ich kann Ihnen versprechen, auf viele interessante Entdeckungen gestoßen zu sein. Lesen Sie nun meine Reise über den Ursprung der Schlaraffia.
[su_spacer size="35"][su_heading size="16"]Wieso kennen wir das Gründungsdatum der Schlaraffia so genau oder
wurde womöglich geflunkert?[/su_heading]
Die Entstehungsgeschichte der Schlaraffia ist allseits manifestiert mit dem Gründungsdatum des 10. Oktober 1859. So steht es auch im Schlaraffen-Spiegel. Hinzu kommt die Geschichte, dass der Schlaraffia der „Proletarier-Club“ zu Prag vorausging1. So ist z. B. in der „Chronica allschlaraffiae“, die von Ritter „Drasal vom Glockenturm“ - seinerzeit Archivar der Allmutter Praga - 1898 verfasst wurde, zu lesen, dass der Direktor des Prager Theaters, Herr Franz Thomé, dem Künstlerverein „Arcadia“ angehörte. Eines Tages soll Thomé einen Künstler seines Theaters der Arcadia zur Aufnahme gemeldet haben, der aber nicht dem Bilde des „Protzentums“, das in der Arcadia ebenfalls herrschte, entsprach. Es ist überliefert, dass es deshalb zu Diskussionen kam, in deren Verlaufe das Wort „Proletarier“ gefallen sein soll. Über diesen Zustand entrüstet, entschloss sich Thomé mit seinen wenigen Mitgliedern die Arcadia zu verlassen. Thomé und seine Künstler gehörten zu gleicher Zeit einem anderen Künstlertreff2 an, der weder Namen, noch Statuten besaß und sie ihre zwanglosen Zusammenkünfte in der Freunds Restauration/Ecke der Wassergasse und Grube allabendlich hatten.
Direktor Thomé berichtete eines Abends im Frühjahr 1859 diesem Künstlertreff, was sich in der Arcadier ereignete, weshalb sich die namenlose Tafelrunde, zum Trotz der Arcadier, nun „Proletarier-Club“ nannte. Weil aber die anfängliche Begeisterung im Sande zu verlaufen drohte, die Zahl der Mitglieder schrumpfte, soll der Opernsänger Albert Eilers am 10. Oktober 1859 die verbliebenen Gesinnungsgenossen verpflichtet haben, mit Hand und Wort treu und fest zusammenzustehen, so dass auf Vorschlag des Redakteurs Tobisch dem neuen Verein der Name „Schlaraffia“ gegeben wurde.
[su_note radius="6"]Diese Darstellung ist die Ausgangssituation für meine Ritterarbeit und ich ging der Frage nach, ob wir wirklich das Gründungsdatum der Schlaraffia so exakt bestimmen können und, ob die Entstehungsgeschichte sich so, wie oben aufgeführt, ereignete?[/su_note]
Anmerkung:
Bevor ich in alle Details einsteigen werde, die ich recherchierte, so halte ich es für möglich, dass weder das Gründungsdatum, noch die überlieferte Gründungsgeschichte sich so ereignet haben muss, wie sie uns Schlaraffen seit vielen Jahrzehnten erzählt wird.
Mir ist bewusst, dass meine These provoziert und manchen Schlaraffen nicht gefallen wird. Ich werde zwischendurch auch immer mal wieder einen Exkurs zu anderen Fundstellen machen; nicht, weil ich von meiner ursprünglichen Fragestellung abweichen oder ablenken will, sondern, weil das Recherchieren auch dem Effekt des Serendipitätsprinzips3 unterliegt.
Meine Ritterarbeit soll deshalb zur Diskussion anregen und aufzeigen, dass durch die Nutzung des Internets man ebenfalls zu neuen Erkenntnissen gelangen kann, so wie Ritter Vitruvius im Vorwort zur Chronik des Verbands Allschlaraffia zur Hundertjahrfeyer in Norimberga a.U. 100 (1959) folgendes schrieb:
Wichtig dabei war auch, daß die „Entstehungsgeschichte“, wie sie von „Drasal“ auf uns überkommen, auf Grund der durch gewissenhafte Forschung gewonnenen neuen Erkenntnisse einer grundlegenden Wandlung und Richtigstellung unterzogen wurde4.
Heute, 59 Jahre später, leben Schlaraffen im Informationszeitalter, das die Gesellschaft mit einer Informationsfülle versorgt, die Generationen zu spalten scheint. Die Schlaraffia, die sich der Kunst, des Humors und der Hochhaltung der Freundschaft verschrieben hat und seit 159 Jahren weltweit existiert, spielt nach wie vor ein mittelalterliches Ritterspiel, um sich den Flausen des profanen Lebens für ein paar Stunden in der Woche zu entziehen. Und wahrscheinlich ist dieses Spiel heute noch wichtiger denn je geworden, um seinem Geist eine Auszeit der Profanei zu gönnen und fit für Kulturelles zu erhalten.
Andererseits darf man aber gewisse Tatsachen nicht verdrängen, die der Schlaraffia feindlich sind. Das ist einmal eine extreme Überalterung der Sassenschaft und der Konflikt mit dem Wandel der Zeit, z. B. der Informationsverteilung/-schnelle und deren Kommunikation untereinander.
Was die Überalterung angeht, so ist das Wachstum der schlaraffischen Mitglieder in den vergangenen Jahrzehnten, nicht mit dem Wachstum der weltweiten Bevölkerung gediehen. Die letzten 100 Jahre zeigen auf, dass es z. B. im Jahr 19155 etwa 7000 Schlaraffen weltweit gab.
In „Derer Schlaraffen Zeyttungen Nr. 8 des Wonnemonds a.U. 107 (1966), 94. Jahrgang“ ist von Ritter Sindbad (309) auf Seite 16 folgendes zu lesen:
Um 8000 Männer wöchentlich einmal zusammenkommen zu lassen, und das praktisch ein Leben lang, bedarf es schon starker Anreize. Freundschaft, Kunst, Humor sind wirklich die Quellen hundertjährigen Lebens.
Gehen wir davon aus, dass dies die weltweit gültige Mitgliederzahl im Jahr 1966 war, wobei in der Ausgabe „Derer Schlaraffen Zeyttungen Nr. 01 des Lethemonds a.U. 107 (1966), 95. Jahrgang“ der Ritter Mistral (334) auf Seite 4 folgendes kundtat:
So schreibt Algermissen im Lexikon für Theologie und Kirche, (Herder, Freiburg 1964): Schlaraffia, 1859 in Prag von Künstlern, Kunstfreunden und Schauspielern gegründet, dann als Allschlaraffia […] 1937 Zwangsauflösung in Deutschland, bald danach auch in Österreich. Zuvor in Europa, Amerika und Ostasien zusammen 14000 Mitglieder in 300 Reychen. Seit 1947 besteht die Schlaraffia auch in der BRD und in Österreich wieder.
Also, vor den Zwangsauflösungen in Deutschland und Österreich wuchs die Mitgliederzahl der Schlaraffia auf bis zu 14000 an. Geht man von der gültigen Zahl des Jahres 1915 mit 7000 Sassen aus, dann ist das ein sehr starker Zulauf, der aber bis in die heutige Zeit einem starken Schwund zu unterliegen scheint, den ich gerne mit der Entwicklung der Bevölkerungen in Deutschland und Österreich gegenüber stellen möchte und erlaube mir einen kleinen Exkurs.
Exkurs:
Laut Wikipedia-Eintrag hat der Weltbund Schlaraffia 10.300 Sassen (Stand 1. Juni 2013)6. Der größte Landesverband Deutschland zählt demnach 6517 und der kleinste in Lateinamerika 198 Sassen. Dazwischen gesellen sich Österreich mit 2519, Nordamerika mit 608 und Helvetica mit 466 Sassen. Heute dürfte die Mitgliederzahl aber weltweit unter 10.000 liegen.
Wie hat sich die Bevölkerung in den letzten 100 Jahren entwickelt?
Deutschland hatte folgende Bevölkerungsentwicklung von 19107 an:
[su_table]
Jahr | DEUTSCHLAND | D-West | D-Ost | Veränderung |
1910 | 64,57 Mio | |||
1950 | 69,35 Mio | 50,96 Mio | 18,39 Mio | +7,40% (1910-1950) |
2011 | 81,84 Mio | 65,54 Mio | 16,30 Mio | +18,01% (1950-2011) +26,75% (1910-2011) |
[/su_table]
Österreich zeigt die folgende Bevölkerungsentwicklung von 19108 an:
[su_table]
Jahr | ÖSTERREICH | D-West | D-Ost | Veränderung |
1910 | 6,61 Mio | |||
1950 | 6,93 Mio | +4,84% (1910-1951) | ||
2011 | 8,40 Mio | +21,21% (1951-2011) +27,08% (1910-2011) |
[/su_table]
Man braucht gar nicht die anderen Landesverbände der Schlaraffia statistisch hinzuziehen, um jetzt schon zu sehen, dass es dem weltweiten Herrenbund nicht gelungen war, ausreichend Mitglieder zu rekrutieren. Während die Bevölkerung in beiden Ländern wuchs, sank die Zahl der Sassen. Dem Wachstumsplus der Bevölkerung von Deutschland und Österreich von durchschnittlich 26,92% steht ein Mitgliederschwund von 27,70% der Sassen gegenüber. Somit klafft eine Lücke von 54,62%.
Gezeigter Exkurs, der zunächst nichts mit meiner Fragestellung der Ritterarbeit zu tun hat, ist ein wichtiges Beispiel dafür, was der Serendepitätseffekt bewirken kann, wenn man auf Informationen beim Recherchieren stößt, die man zuvor gar nicht suchte. So gewann ich die zusätzliche Information, dass ein starker Mitgliederabgang, gekoppelt mit einer hohen Lebenserwartung der Sassen, folgerichtig zu einer Überalterung der Vereinigung Schlaraffia führen musste.
Als zweiten „Feind“ nannte ich den „Konflikt mit dem Wandel der Zeit“ und dem Beispiel der „Informationsverteilung/-schnelle“ und der „Kommunikation untereinander“. Generationen, die eine Zeit des 20. Jahrhunderts erlebten und in der Schlaraffia nach wie vor überwiegen, stoßen automatisch auf gewaltige Kräfte der Generationen X9, Y10 und Millennials.
Ich gehöre der Generation X an und möchte mit meiner Ritterarbeit versuchen eine Brücke zu schlagen, die den älteren Sassen aufzeigt, warum moderne Technologien auch für den Herrenbund wichtig, ja sogar unumgänglich bzw. überlebensnotwendig sind. Deshalb habe ich mich in meinen Recherchen zum größten Teil auf neutrale und öffentlich zugängliche Quellen berufen, die ein jeder, bei Vorhandenseins eines Computers mit Internetanschluss, von Zuhause aus nachschlagen kann.
Lesen Sie in der nächsten Beitragsausgabe
„Der Proletarier-Club - Ein Wunschtraum?“
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[su_spacer size="30"]———————————————
1Chronik des Verbandes Allschlaraffia zur Hundertjahrfeyer in Norimberga a. U. 100 (1959), digitalisierte PDF-Ausgabe mit 527 Seiten
2Chronik des Verbandes Allschlaraffia zur Hundertjahrfeyer in Norimberga a. U. 100 (1959), digitalisierte PDF-Ausgabe Seite 51 (Seite 36 der Druckausgabe)
3https://de.wikipedia.org/wiki/Serendipit%C3%A4t
4Chronik des Verbandes Allschlaraffia zur Hundertjahrfeyer in Norimberga a. U. 100 (1959), digitalisierte PDF-Ausgabe Seite 21 (Seite 6 der Druckausgabe)
5„Grazer Tageblatt“ vom Freitag, den 19. November 1915, 25. Jahrgang Nr. 322, Seite 18, Spalte links, Artikel „Kriegshilfe der Schlaraffia“
6https://de.wikipedia.org/wiki/Schlaraffia
7Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2011 http://www.bpb.de/system/files/dokument_pdf/01%20Bevoelkerungsentwicklung.pdf
8https://de.wikipedia.org/wiki/Demografie_%C3%96sterreichs
9https://de.wikipedia.org/wiki/Generation_X_(Soziologie)
10https://de.wikipedia.org/wiki/Generation_Y