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Freundschaft • Kunst • Menschlichkeit (Wahlspruch Ritter der Grünen Insel, 1855)
Kunst • Humor • Freundschaft (Zweckspruch der Schlaraffen, 1859)
Es ist schon interessant, wenn man das Internet als Quelle verborgener Schätze nutzt, deren Inhalte nur darauf zu warten scheinen gehoben zu werden. Und gerade das 19. Jahrhundert ist ein sehr spektakuläres Zeitalter gewesen. Als Schlaraffe fragt man sich immer wieder, ob der Verein aus gänzlich eigener Kraft entstand oder es vielleicht doch verschiedene Vorbilder gab?
Mit den Schlaraffen wird auch immer wieder die Ludlamshöhle genannt, die als ein sehr früher Vorläufer der Schlaraffia angesehen wird, gerade weil sie die Kunst und den Freigeist in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts prägte. Doch die Ritter von der grünen Insel liegen in der unmittelbaren Gründungswelle verschiedener Ritterbünde, so auch die der Schlaraffia.
Der Chronist Comthur Hans Max erzählt in seiner Festschrift zur zwanzigjährigen Gründungsfeier der Gesellschaft1 über die Wiener Ritter der grünen Insel. Und es macht eine Riesenfreude zu lesen, wie sehr sich doch beide Kunstgesellschaften gleichen. Denn, so schreibt der Comthur, gab es in Wien schon vor dem Jahre 1850 eine Art Rittergesellschaft, die sich in einem Gastlokale traf, um sich dort heiterem Treiben hinzugeben. Ähnlich war es auch bei den Schlaraffen, denn sie trafen sich gleichfalls einmal in der Woche, nämlich in der Freund's Restauration. Ein gewichtiger Unterschied seinerzeit dürfte gewesen sein, dass von Beginn an Damen der Kreis der grünen Insel geöffnet war. Zwar verschmähten Schlaraffen das weibliche Geschlecht nicht, doch ist aus der Gründerzeit über die Teilnahme von Damen an Stammtischabenden nichts bekannt. Bei feierlichen Anlässen hingegen schon.
So war es der 15. Februar 1855, als sich sieben Männer, u.a. Mitglieder des Carltheaters, in der Weinstube des Heiligenkreuzerhofes zu einem heiteren Abend zusammengefunden hatten. An diesem Abend wurde spontan der Antrag gestellt „wieder eine Gesellschaft zu gründen, die sich allwöchentlich in diesem Locale versammeln sollte, um einen vergnügten, aussergewöhnlichen Abend zuzubringen!“. Dieser Antrag wurde mit Beifall begrüßt, nur fehlte es an der Form der neuen Gesellschaft. Es wurde diskutiert. Erst als plötzlich der alte Castelli (Mitbegründer der Ludlamshöhle) am Abend hinzukam, hatte Braumüller den Einfall, zu der beliebten und erprobten Ritterform aus dem Jahr 1850 zurückzukehren, was dann einstimmig unter erneutem Beifall angenommen wurde. Wie beim Vereine der Schlaraffen, machten sich die Mitglieder daran, eine Satzung zu skizzieren, um dem Spiel einen Rahmen zu geben.
Der neue Verein wuchs rasant, so dass man schon bald in ein größeres Lokale umziehen musste. Aus der anfänglichen Rittergesellschaft wurden die Ritter der grünen Insel, weil der neue Aufenthaltsort in dem Gasthauslokale Zur Kaiserkrone in der Leopoldstadt an der Donau nahe der grünen Insel lag. Der Verein beschränkte sich aber auf die zwei Worte - grüne Insel. Mit dem Leopoldstädter Theater konnte der Verein auf beste Kräfte zurückgreifen; wie z.B. auf den Theater-Direktor Carl Treumann (fungierte als Ritter Minnesänger), Kapellmeister Stenzl (als Saitenspieler) oder Julius (als Schalksnarren). Zum Vergleich: Die Schlaraffen kennen ebenfalls den Fungierenden (auf dem Thron), die Musizi mit z.B. ihrem Minneholz oder den Hofnarren. Und was bei der Grünen Insel die Dekorationsmaler waren, ist bei den Schlaraffen der Burgvogt.
Das Bundeslied der grünen Insel, was als Hymne angesehen werden kann, nannte sich „Wir sind die lust'gen Ritter“. Gedichtet wurde es vom Knappen Wendelin von Höllenstein alias Dr. L.A. Frankl. Interessant ist, dass es bei den Urschlaraffen auch einen Wendelin von Höllenstein alias Conrad Hallenstein gab. Laut der Chronik2 des Verbandes Allschlaraffia war jener Urschlaraffe als Ritter Höllenstein der Schlaraffe 1872 dort aufgenommen, was auch im Grundbuch der grünen Insel als Anhang nachgelesen werden kann.
Der Text des Bundesliedes im Wortlaut:
[su_tabs active="1" vertical="yes"][su_tab title="Strophe 1"]Wir sind die lust'gen Ritter,
Vom grünen Inselland,
Wir schwingen statt der Schwerter,
Die Humpen in der Hand.
Holla, ho, holla ho![/su_tab] [su_tab title="Strophe 2"]Wir tragen grüne Bänder,
Und uns're Sporen klirr'n,
Traun nicht an unser'n Stiefeln,
doch jedem im Gehirn.
Holla, ho, holla ho![/su_tab] [su_tab title="Strophe 3"]Für Ungehorsam werfen,
Wir Ritter in's Verliess,
So mehren sich die Humpen,
In unser'm Keller süss.
Holla, ho, holla ho![/su_tab][su_tab title="Strophe 4"]Ihr Buben, Knappen, Ritter,
Thut weit auf Euern Mund,
Und singt: Hoch soll er leben,
Der lust'ge grüne Bund!
Holla, ho, holla, ho![/su_tab][/su_tabs]
Die Ritter der grünen Insel feierten bereits 1855 das erste Schillerfest und beschlossen, diese Feier jährlich zu wiederholen. Eine Zeremoniell, das es bei den Schlaraffen auch gibt. Und weil der rasche Aufschwung der Gesellschaft grüne Insel wieder einen Umzug in größere Räumlichkeiten notwendig machte und die Eigentümlichkeiten und Gebräuche nebst Satzungen sich verbreiteten, so wurde auch die Wiener Behörde aufmerksam. Was man damals nicht gleich durchschaute und nicht dem Alltagsleben entsprach, so vermutete man hinter diesem Verein - wie auch bei den Schlaraffen - freimauer'sche Tendenzen. Und dazu trug ihr Leitspruch „Im Namen der Dreieinigkeit: der Freundschaft, Kunst und Menschlichkeit“ bestens bei.
Die grüne Insel musste vor dem Polizeirat vorsprechen und den Verein mit all seinen Inhalten erklären. Um jegliche Zweifel auszuräumen bot man ihm sogar an, einen Kommissar zu entsenden, was aber als nicht mehr nötig empfunden wurde. Man kann sogar sagen, dass durch das gesellschaftliche Gespräch die grüne Insel immer weiter namhaften Zulauf bekam. Quasi aus allen gehobenen Gesellschaftsschichten strömten sie dem Vereine bei. Und auch die Idee einer eigenen Vereinszeitung realisierte die grüne Insel viel früher (1856) als die Schlaraffia. Dazu ist interessant zu lesen, dass die grüne Insel zahlreiche Wohltätigkeitsveranstaltungen durchführte, auch zur Unterstützung armer Künstler und Schriftsteller, wie es seinerzeit die Schlaraffen auch taten und stellenweise heute noch tun.
Also es finden sich viele Gemeinsamkeiten in den Bräuchen zwischen der grünen Insel und der Schlaraffia wieder. Man kann durchaus sagen, dass das Ritterbrauchtum der Schlaraffen ihren Ursprung in ihr fand. Dies wird dadurch untermauert, dass Deutsche, die es ins Ausland drang, u.a. nach Vorbild der grünen Insel einen Verein in Paris gründeten. Der Verfasser Hans Max verweist an gleicher Stelle, dass sich ähnliche gesellschaftliche Vereine auch in Prag, Pest, Klagenfurt, Krems, Graz, Salzburg, Nürnberg gründeten.
1Quelle: Geschichte der grünen Insel - Festschrift zur zwanzigjährigen Gründungsfeier der Gesellschaft von 1875
2Quelle: Chronik des Verbandes Allschlaraffia 1959